Ein „Ding aus dem Tollhaus“…

In der unendlichen Geschichte um die Zukunft des Hafens überbieten sich Teile der Flensburger Kommunalpolitik bei kuriosen Stellungnahmen

Anfang 2019 gingen die Wellen erstmals hoch… Um an Landesfördermittel für Wohnbebauung auf dem Flensburger Ostufer zu kommen, jagten CDU, SPD, Grüne und FDP mit ihrer Mehrheit und der Unterstützung durch Oberbürgermeisterin Simone Lange einen abenteuerlichen Plan durch die Ratsversammlung: Der Hafenbetrieb, der überwiegend auf der östlichen Fördeseite abgewickelt wird, sollte „eben mal so mir-nichts-dir-nichts“ auf die Westseite verlegt werden… Fragen nach Kosten und erhöhter Verkehrs- und Umweltbelastung wurden missmutig als Schlechtmacherei des selbst ernannten „Jahrhundertprojekts“ beiseite geschoben… DIE LINKE Flensburg war schon damals standhaft gegen diese Utopie gewesen und wurde (im freundlichsten Fall) als Fortschrittsmuffel belächelt. Auch eine neue Bürger*innen-Initiative hielt dagegen und hat seither keinen leichten Stand.

Vor wenigen Wochen kamen dann erste Fakten auf den Tisch: Mit bis zu 21 Millionen Euro könnte eine solche Hafenverlagerung für ein Flensburg der klammen Kassen zu Buche schlagen – und mehr LKW-Verkehr in den Stadtteilen Neustadt und Nordstadt gäbe es natürlich auch. Diese Fakten unterfütterten die grundlegende Skepsis, aber bei den beschlussfassenden Parteien von 2019 (und auch bei der Oberbürgermeisterin) steckte der Kopf immer noch im Sand. – Als erstes wurde die Kreisleitung der SPD schwach… Ausgerechnet vorgestern am 1. April veröffentlichte sie in einer Pressemitteilung, dass angesichts solcher Schwierigkeiten der gesamte Flensburger Hafenbetrieb eingestellt und ins 36 Kilometer entfernte dänische Aabenraa (Apenrade) verlagert werden sollte…

Das war eine Steilvorlage für uns von der Flensburger Ratsfraktion DIE LINKE – und wir veröffentlichten tags darauf folgenden Pressetext:

Den Hafen bewahren – und endlich Planungssicherheit schaffen!

In Zeiten, in denen ein Virus fast alle Schlagzeilen beherrscht und die Kommunalpolitik nur auf Sparflamme stattfindet, hat die Flensburger SPD „eine Idee“… Mitten in der Quarantäne ließ ihr Kreisvorstand die Katze aus dem Sack, die schon viel zu lange dort zugebracht hatte: Der Flensburger Hafen soll gänzlich geopfert und sein Umschlag ins dänische Aabenraa verlagert werden. Aber die Idee ist weder genial noch neu…

Die Ratsfraktion DIE LINKE Flensburg erklärt dazu: „Jetzt bewahrheitet sich das, worüber seit langem nur hinter vorgehaltener Hand spekuliert wurde. Einige Parteien sind bereit, die Flensburger Hafenwirtschaft aufzugeben, um an Fördermittel für die Neugestaltung des Ostufers zu kommen. Wir lehnen einen solchen Weg ab“, sagt der Fraktionsvorsitzende Frank Hamann, „denn unsere Stadt hat einen Hafen, der bis heute einen wirtschaftlichen Faktor darstellt. Genau deshalb haben wir LINKE uns für den Erhalt des Hafenbetriebes eingesetzt – und zwar auf dem Ostufer. Auch wenn da einiges neu gedacht und geplant werden muss, um Wohnen am Ostufer möglich zu machen.“

Mit dem SPD-Vorstoß, dem vorhersehbar andere politische Kräfte folgen werden, steht zu befürchten, dass die Hafenwirtschaft abgewickelt werden soll, um die „Bettchen für die privaten Investoren“, wie die LINKE-Ratsherren Frank Hamann und Lucas Plewe es schon vor einem Jahr formuliert hatten, vorzubereiten. Dass die SPD nun eine von ihr bisher vehement verteidigte Verlagerung des Hafens ans Westufer plötzlich vom Tisch fegt, zeigt, wie unausgegoren und wie finanziell unrealistisch genau dieses Projekt war. Nun scheint Schluss zu sein mit den jubilierenden Gesängen vom „Jahrhundertprojekt“ für Flensburg!

Das aktuelle politische Vorgehen ist aber ebenso durchsichtig wie unehrlich: Wollten die Verteidiger der Hafenverlagerung von zu hohen Kosten und einer erhöhten Verkehrs- und Umweltbelastung für die Neu- und Nordstadt bisher nichts wissen, führen sie diese Einwände nun an, um sich des Hafens zur Gänze zu entledigen. Das ist nicht nur unseriös, sondern auch vorsätzliche Täuschung, um ein neues Ostufer nach ihren Vorstellungen durchzupeitschen. – Für überwiegend bezahlbaren neuen Wohnraum bedeutet das übrigens nichts Gutes…

„Wir sind nicht bereit, uns und die Flensburgerinnen und Flensburger monatelang an der Nase herumführen zu lassen!“, erklärt Frank Hamann. „Vorgestern sangen alle Hafenumzugs-Befürworter von SPD, CDU, FDP und Grünen inklusive der Oberbürgermeisterin das hohe Lied des Jahrhundertprojekts – und heute soll das womöglich alles nur Fassade gewesen sein. Simone Lange und die Verwaltung müssen nun zeitnah erklären, was sie eigentlich wirklich wollen, damit endlich Klarheit über Standpunkte und Perspektiven geschaffen wird!“

Die Ratsfraktion bleibt dabei: Flensburg braucht den Hafen, und Flensburg braucht eine soziale Wohnungspolitik – auch und ganz besonders auf dem neu zu gestaltenden Ostufer. Hierfür sollten die politischen Spielräume ausgelotet und die Ressourcen in der Stadtplanung endlich zielführend aktiviert werden. Herumgeeiert wurde nun lange genug.

Nun kam binnen Stunden mediale Bewegung in die Kommunalpolitik… U.a. äußerten sich Vertreter der CDU- und der Grünen-Fraktion, die gerade Gefahr liefen, eines Bündnispartners für die gewählte Hafenverlagerung verlustig zu gehen – oder auch hatte der SPD-Kreisverband eigentlich nur das ausgesprochen, was sie selber schon länger erwogen hatten, das aber nun zur Unzeit in die Öffentlichkeit gepustet worden war… Ihre Nervosität verpackten sie in einige Fragestellungen, die für die Realisierung des Projekts notwendig seien… – Dies kommentierte ich auf der Facebook-Seite des Flensburger Tageblatts so:

…huuhuuu, nun werden Flensburgs CDU und Grüne aber nervös!!! Ihnen ist mit der SPD gestern ein wichtiger Verbündeter ihrer abenteuerlichen Hafenverlagerung vom Ost- auf das Westufer „abgesprungen“, denn die Sozis wollen ja nun gar keinen Hafen in FL mehr… Die Sprecher der beiden Parteien flüchten sich nun in die „Welt der vielen offenen Fragen“ und stellen eine endgültige Umsetzung ihres vermeintlichen „Jahrhundertprojekts“ als ergebnisoffen dar. Nun sollen, ginge es nach ihnen, weitere Fragen an das Projekt gestellt werden, die Grünen stellen sogar einen ganzen Fragenkatalog vor und suchen etwas verzweifelt nach externer Finanzierungshilfe für ihren aberwitzigen Plan…

JETZT wollen sie fragen, nachdem sie vor einem Jahr im Rat dem Hafenumzug bereits wortgewaltig zugestimmt hatten…? Ausgerechnet jetzt, wo längst klar ist, dass das Ganze um die 20 Millionen Euro kosten würde (Geld, das Flensburg nun wahrlich nicht hat!)…? Und wo klar ist, dass die Verkehrssituation in der Nord-/Neustadt nach einem Hafenumzug weiter belastet wird…? – Nein, diese plötzliche „Fragerei“ klingt nach mächtigen Nebelkerzen, die dem Böllerschuss der SPD in nichts nachstehen. Sie alle haben in den vergangenen Monaten nicht mit offenen Karten gespielt und stattdessen aktionistisch und unprofessionell ein untaugliches Hauruck-Projekt losgetreten, das nun (zum Glück) mächtig ins Wanken gerät…

Heute bekam der eifrige Kreisvorstand der SPD dann erstmal „Haue“… – und zwar aus dem eigenen Stall: Der SPD-Fraktionsvorsitzende erklärte in der Flensborg Avis den Vorstoß der Genoss*innen zu einer unabgestimmten Aktion – und: Für die Beschlussfassung sei die Ratsfraktion zuständig, die bei ihrer Linie von 2019 bliebe – powww!!!

Weitere „Akte“ dieses Schauspiels dürften folgen… Etwas Popcorn kann sicherlich nicht schaden…

2 Kommentare zu „Ein „Ding aus dem Tollhaus“…

  1. Lieber Herman,
    schon merkwürdig, dass ausgerechnet jetzt Bewegung in die Hafengeschichte kommt. Man sollte meinen, dass die Stadt und die Politik gerade andere Sorgen haben.
    Aber vielleicht war auch alles nur ein verunglückter Aprilscherz (s. FT heute)?

    Ich bin nicht tief genug drin im Thema um mich mehr oder weniger klug zum Thema Hafen äußern zu können. Ich stelle mir nur gerade die Frage, ob das nicht ohnehin zu einer Geisterdebatte mutiert. Wenn die Wirtschaft jetzt wegen Corona tatsächlich so einbricht wie befürchtet, wird ja vielleicht überhaupt kein Hafen mehr benötigt. Weder in FL noch in Apenrade…?!“

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    1. Ja, lieber Jochen, die „Hafengeschichte“ ist ja in der Flensburger Öffentlichkeit gar nicht so präsent. Oft sehen wir noch nicht mal, was und wie viel dort eigentlich geschieht bzw. umgeschlagen wird. Zum Grob-Überblick dient vielleicht das „Zweidrittel-Prinzip“: Der Gesamtumschlag des Hafens liegt bei etwas unter 300.000 Tonnen pro Jahr – und knapp 400 Schiffe laufen Flensburg an (also im Mittel gut eins pro Tag). Zwei Drittel davon sind Kohlelieferungen an die Stadtwerke, die am eigenen Kai auf der Westseite (!) abgewickelt werden (diese Anlieferungen werden sinken). Das dritte Drittel, um das sich die eigentliche Diskussion dreht, sind Anlieferungen von überwiegend Baumaterial (Sand) und Düngemitteln am Osthafen (Harniskai); vieles davon geht ins Flensburger Umland und wird mit LKWs meistens über Nord- und Umgehungsstraße weitertransportiert (daher sehen wir direkt wenig davon im Stadtbild).

      Der Osthafen-Umschlag hat über einige Jahre von einem Spitzenumschlag von über 250.000 Tonnen (um 2007-10) auf 80.000 Tonnen (2016) abgenommen, er steigt aber seit 2017 wieder auf über 100.000 an. „Über den Daumen“ rollen also pro Tag etwa 30 LKWs mit den umgeschlagenen Gütern aus dem Osthafen. Er ist also auch jetzt noch ein nicht zu vernachlässigender Wirtschaftsfaktor für die Stadt und die Region.

      Sollte der Hafenbetrieb, wie im Frühjahr 2019 von der SPD/CDU/Grüne/FDP-Ratsmehrheit beschlossen, auf das Westufer verlegt werden, würde sich die Verkehrs- und Umweltbelastung für die ohnehin stark belasteten Stadtteile Neu- und Nordstadt (über Harrisleer und Apenrader Str. zur westlichen Umgehungsstraße/B200) zumindest merkbar verstärken – denn der Verkehr würde durch dicht besiedeltes Gebiet führen.

      Der zweite, aber wohl wichtigste Punkt ist die Finanzierung des Hafenumzugs. – Das jüngste Gutachten veranschlagt (je nach Variante) Mehrkosten für die Stadt von 8-30 Millionen Euro… Eine notwendige Kai-Verstärkung und -Erhöhung sowie neue Entladelogistik und ggf. auch Anpassungen in der Verkehrsinfrastruktur würden (einem aktuellen Gutachten zufolge) realistischerweise wohl mit 21 Millionen Euro zu Buche schlagen – Geld, das Flensburg nun auch bei der Streichung unnötiger Ausgaben nicht mal ansatzweise hat.

      Fördermittel des Landes würde es nur für die Neugestaltung des Ostufers geben – dafür, so die derzeitige Position in Kiel, muss aber der Hafen „weg“. Ein Umzug ans Westufer würde wohl nicht gefördert. Das Wirtschaftsministerium sowie die betroffenen Wirtschaftszweige (inkl. IHK) wollen aber auch für die Zukunft einen Flensburger Hafenbetrieb… Aus LINKER Sicht ist ein Weiterbetrieb des Hafens nicht aus nostalgischen, sondern aus gesamtwirtschaftlichen Erwägungen sinnvoll und unentbehrlich. Allerdings wollen wir eine Kombilösung, die den Hafen im Nordteil des Osthafens erhält und Wohnbebauung im südlichen Teil ermöglicht. Kiel will das gesamte Gebiet aber nicht mit einer solchen Mischnutzung fördern… Um die Haltung der LINKEN, aber auch des SSW zu realisieren, bedarf es „kreativer Lösungen“ in Flensburg und Kiel, die „schwer“ verhandelt werden müssten…

      SPD, CDU, Grüne und FDP haben sich jedoch in ein noch größeres Dilemma bugsiert… Sie sind (wie so oft) „geil“ auf die Fördergelder – deshalb musste binnen kurzem der Hafenumzug ans Westufer durchgepeitscht werden. Sie hatten und haben dabei die Unterstützung der Oberbürgermeisterin und Teilen der Verwaltung. – Allerdings haben sie darauf gebaut, dass sie die Begleitumstände (Kosten / Verkehr) unter den Teppich kehren könnten – und so haben sie den Beschluss herbeigeführt. Wer nach den Kosten fragte, wurde schief angeguckt und erhielt bestenfalls ein „So um die 3 Millionen“ zugeraunt, und die Belastungen in der Neu-/Nordstadt woll(t)en sie har nicht problematisieren… Dann steckten sie den Kopf in den Sand und versuchten stillzuhalten, damit irgendwann niemand mehr darüber redet… Einige aus diesem Westhafen-Bündnis sind übrigens (nur hinter vorgehaltener Hand!) schon länger bereit, den Hafenbetrieb für ein Investoren-Feuerwerk am Ostufer ganz zu opfern. Das muss auch in Bezug auf die zukünftige Nutzung des Ostufers sehr misstrauisch machen!

      Die Westhafen-„Koalition“ hatte aber – wie beim Bahnhofshotel – nicht mit dem andauernden Widerstand aus Politik (z.B. der LINKEN) und zunehmend auch aus der Bevölkerung (inklusive Medien-Interesse) gerechnet… Ihre Rechnung des Versteckens geht also nicht auf… In solch einer Situation macht es sich bezahlt, darauf zu warten, bis „das schwächste Glied“ eines solchen Bündnisses die Fassung verliert und das Sprechverbot aufgibt… – Dies war nun am 1. April der Kreisvorstand der SPD, denn sie müssen um Wähler*innen-Gruppen bangen und hängen am meisten von allen „zwischen den Stühlen“, zumindest vom Parteigefühl her. In ihrer Ratlosigkeit ignorierten die den Ratsbeschluss – und posaunten die Abschaffung des Flensburger Hafens hinaus… Es sollte wohl ein Tabula-rasa-Befreiungsschlag werden…

      Da der Burgfrieden im Bündnis nun aufgebrochen war, versuchten CDU und Grüne, nachdem wir LINKE uns mit der Pressemitteilung klar positioniert und damit am wackeligen Bündnis gekratzt hatten, eine Nebelkerzen-Aktion zu starten: „Wir bleiben beim Hafenumzug – müssen aber noch einiges klären“, so der etwas unbeholfene Tenor, der die ohnehin manifeste Kritik irgendwie eindämmen sollte… Und die „Granden“ der SPD-Ratsfraktion entmündigten eben mal ihre Kreisleitung und schworen weiterhin auf einen Westhafen ein…

      Ob diese Pflaster halten werden, darf bezweifelt werden… Schließlich hatte die SPD-Kreisleitung nun doch das wohlgehütete Geheimnis der gänzlichen Hafenaufgabe unwiederbringlich öffentlich gemacht. – Diese Geister wird die Debatte nun nicht mehr los – und ein bis dato nicht-öffentliches Kartenhaus droht, in sich zusammenzufallen… – Sehr dumm gelaufen!!!

      Politisch ist das Ganze aber mehr als nur die schrittweise Enttarnung einer Ratsmehrheit, über die sich eine (auch LINKE) Opposition freuen könnte. – Die Folgen für die Wirtschaft und die Infrastruktur sind viel zu ernst (egal ob Hafenumzug oder -einstampfung), als dass es dabei mit Schadenfreude getan wäre! – Es ist auch nicht einfach nur ein „Skandal“… Nein, der politische Umgang mit dem Hafen von (mindestens) Anfang 2019 bis heute zeigt zwei weitreichende Dinge:

      1. Große Teile der politischen Landschaft sowie der Verwaltung (inkl. OBin) setzen bei einem solchen wichtigen Thema ein weiteres Mal die Glaubwürdigkeit von (Kommunal-)Politik aufs Spiel. Dass sie sich dabei unprofessionell, lobbygesteuert und in ihrem Erscheinungsbild peinlich gerieren, ist dabei fast schon „nebensächlich“!

      2. Ein sehr zentrales Feld Stadtplanung wird gegen die Interessen von Bevölkerungsgruppen und auf Kosten der wirtschaftlichen Vielfalt betrieben – und wird somit kein Wohlwollen erfahren (zumal die Vielen, die dringend bezahlbaren Wohnraum benötigen, auch diesmal in die Röhre gucken werden!).

      Das Ganze läuft wahrhaftig Gefahr, in eine „Geisterdebatte“ (wie du es benannt hast) auszuarten – allerdings mit gänzlich anderen Inhalten. – Der Hafen ist nicht entbehrlich (s.o.), aber er soll von einigen politischen Kräften wohl dahin abgestempelt werden, um andere Ziele zu verfolgen… Und genau das fordert (erneut) geradezu eine lautstarke Opposition!

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