Ratlos im Sozialausschuss: Den „Tafeln“ geht langsam die Luft aus!

Die Flensburger Linksfraktion fordert einen sichtbaren und dauerhaften finanziellen Einsatz der Stadt, um den Ärmsten die überlebenswichtigen Lebensmittelhilfen zu sichern und die Ausgabestellen in ihrer überlasteten und finanziell stark angespannten Situation zu entlasten: „Notfalls muss die Stadt die Lebensmittelausgabe in eigene Regie übernehmen!“

Die drei Vereine, die in Flensburg die Lebensmittelausgabe für Bedürftige organisieren („Tafeln“), sind an der Belastungsgrenze angekommen. Im gestrigen Sozial- und Gesundheitsausschuss (SuG) schilderten die Vertreter von „Smørrebrød-Hilfe“ und „Haltestelle Sponte-Nord“ (die Vertreterin der Flensburger „Tafel“ konnte aus organisatorischen Gründen nicht an der Sitzung teilnehmen), dass zum einen die Zahl der Kundinnen und Kunden in den letzten Monaten sehr stark gestiegen ist und – noch dramatischer – dass die Supermärkte immer weniger Lebensmittel zur Verfügung stellen. Bei der „Smørrebrød-Hilfe“ werde daher schon über Schließtage nachgedacht.

Außerdem seien die Räumlichkeiten für den hohen Andrang zu klein oder, wie im Fall der „Sponte-Nord“, vertraglich unsicher. Auch die vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden seien stark belastet, hieß es im gestrigen SuG. An der Flensburger Tafel wie auch bei der „Smørrebrød-Hilfe“ seien die Warteschlangen oft sehr lang; vereinzelt kommt es auch zu aggressiven Konflikten bei den Wartenden – und viele Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht lange stehen können, kommen schon seit einiger Zeit nicht mehr zur Lebensmittelausgabe und geraten dadurch in noch größere finanzielle Schwierigkeiten.

Zudem seien die laufenden Kosten für Strom, Miete und den Betrieb von Fahrzeugen im Zuge der allgemeinen Preissteigerungen erheblich gestiegen und die überwiegend durch Spenden finanzierten Vereine immer stärker belasten. – Angesichts der immer größeren Probleme sagte Björn Ketelsen von der „Smørrebrød-Hilfe“: „Eigentlich müsste jetzt die Stadt aktiv werden!“ Und weiter: „Wir haben keine vier oder sechs Monate Zeit mehr, sondern nur nochvier bis sechs Wochen!“

Bis dahin hatten einige Ausschussmitglieder Fragen zur Situation der Vereine gestellt, deren Antworten oft schon bekannt waren (Beispiel: SSW-Ratsfrau Karin Haug fragte ”Erhalten Sie finanzielle Hilfe von der Stadt?” Die klare Antwort lautete: ”Nein!”). Konkrete Vorschläge und Ideen zu einer Lösung der gravierenden Probleme fehlten allerdings. So konnte auch SPD-Ratsherr Justus Klebe nur die schwierige Lage beschreiben und konstatieren, dass das Tafelsystem „an seine Grenzen gekommen“ sei… Auch der Hinweis des Ausschussvorsitzenden Edgar Möller (SSW) an die anwesende Presse, in den Zeitungen für mehr Lebensmittelspenden zu werben, wirkte da eher etwas hilflos.

Für die Flensburger Linksfraktion erklärte Herman U. Soldan-Parima daher: „Die Probleme sind nun schon länger bekannt. Da grundlegende und schnelle Hilfe vom Bund, der letztendlich die Verantwortung für eine jahrzehntelange unsoziale Politik, die immer mehr Armut erzeugt, nicht zu erwarten ist, muss jetzt die Stadt Flensburg ran!“

„Es ist nicht die Schuld der Stadt, dass die große Politik die sozialen Verwerfungen seit vielen Jahren in den Kommunen ablädt“, fügte er hinzu, „aber nun muss den vielen Menschen, die immer weniger Lebensmittelhilfe erhalten oder wegen endloser Warteschlangen nicht mehr dorthin gehen können, aber auch den Vereinen schnell und wirksam vor Ort geholfen werden. Es sollte überlegt werden, dass die Stadt die Ausgabestellen in eigene Regie übernimmt und finanziert und auch Lebensmittel hinzukauft. Über die Kommunalen Immobilien könnten neue oder mehr Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Es muss jetzt schnell eine tragfähige Lösung, die die Bedürftigen, aber auch die Ausgabestellen absichert, gefunden werden!“

Danach sicherte die Sozialdezernentin Karen Welz-Nettlau zu, noch in dieser Woche Antragsformulare an die Vereine zu schicken, mit denen Fördermittel beantragt werden könnten. Dies müsse allerdings auch von politischer Seite im Sozial- sowie im Finanzausschuss beschlossen werden. – Nach der Ausschusssitzung merkte Herman U. Soldan-Parima an: „Es mag ja sein, dass so ein paar Mittel zur Verfügung gestellt werden können, aber erstens wird das nicht ausreichen und zweitens geht wertvolle Zeit verloren!“

Er kritisierte auch, dass die Stadt den noch stärkeren Zulauf zu den Ausgabestellen durch hunderte Geflüchtete aus der Ukraine nicht durch die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen verhindert hat: „Warum in aller Welt hat die Stadt das nicht anders geregelt, um für anderen Kundinnen und Kunden die ohnehin knappe Lebensmittelhilfen nicht in Gefahr zu bringen?!“ – Karen Welz-Nettlau wies diese Verantwortung zurück: Die Stadt hätte den Ukrainer*innen nicht direkt geraten, zu den „Tafeln“ zu gehen, aber die Informationen darüber gebe es überall, und durch den Status der Geflüchteten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder nun auch die Eingliederung in das Hartz-IV-System über die Jobcenter gehörten sie zu den Berechtigten für solche Lebensmittelhilfen.

Nach dem Ausschuss bemerkte Herman U. Soldan-Parima dazu: „Hier versucht die Stadt etwas hilflos, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, denn sie musste wissen, dass sich dadurch die ohnehin angespannte Situation an den Ausgabestellen bei immer weniger gespendeten Lebensmitteln noch mehr verschärft! Das ist nicht die Schuld der ukrainischen Geflüchteten, der Ausgabestellen, die fantastische Arbeit bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit leisten, oder der anderen Berechtigten, sondern das zeigt, dass das System der Tafeln zu den jetzigen Bedingungen nicht mehr funktioniert! Genau deshalb muss die Stadt nun Verantwortung übernehmen.“

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