Der Vorsitzende der Flensburger Linksfraktion, Frank Hamann, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der letzten Ratsversammlung am 01.12., bei der das Klimabegehren zu einem schnelleren Ausstieg der Stadtwerke aus fossiler Energie von den meisten anderen Fraktionen beschlossen und als nahezu historisch gefeiert wurde, teilnehmen. Daher äußert er sich in dieser persönlichen Stellungnahme zu einigen berechtigten Zweifeln und Bedenken.

Das „Klimabegehren“ hat beeindruckende 10.000 Unterschriften gesammelt, um den bereits erfolgreich beschrittenen Transformationspfad der Stadtwerke noch steiler zu gestalten. Das ist ja erst einmal eine löbliche Intention, denn der von Menschen verursachte Klimawandel ist real und die Zeit, die Entwicklung aufzuhalten wird knapp. Das Ergebnis hinterlässt jedoch, nicht nur bei mir, einen faden Beigeschmack.
Zum Inhaltlichen: Es wird unterstellt, dass der vorgeschlagene Transformationsweg inklusive Großwärmepumpen für die Stadt und die Nutzer der Energie mindestens kostenneutral, wenn nicht sogar günstiger ist. Das ist bestenfalls eine kühne Behauptung. Es werden zusätzlich zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen der Stadtwerke, die den gesteckten CO2-Reduzierungspfad bereits 2020 übertroffen haben, neue erhebliche finanzielle Belastungen auf alle, auch die Einwohner*innen zukommen.
Sprengt der schnelle Ausstieg die Kosten für die Miete?
Im sogenannten „Factsheet“ des Klimabegehrens, also dem Schriftstück dass den 10.000 Unterschreibenden als Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt wurde, wird schlicht versäumt darauf hinzuweisen, dass weder die vorhandenen Fernwärmeleitungen, noch die installierten Wärmetauscher für die ca. 45.000 angeschlossenen Wohneinheiten in Flensburg für niedrigere Vorlauftemperaturen vollumfänglich geeignet sind. Auch sind die Isolationswerte der Häuser und die Heizungsanlagen in dem Wohnungsbestand nicht geeignet. Heizungsanlagen müssen ausgetauscht, Altbauten aufwendig isoliert werden.
Mit anderen Worten: Nicht nur die Stadtwerke, sondern auch die Hausbesitzer und damit auch mittelbar die Mieter*innen müssen in den nächsten 13 Jahren dreistellige Millionenbeträge für die Umbauten aufwenden. Man muss kein Immobilienexperte sein um zu erkennen, dass sich Mieten in Flensburg vervielfachen werden. Dasselbe gilt für die Energiekosten. Der von der Gutachterfirma Rambøll geleistete Blick in die Glaskugel, die CO2-Zertifikate würden teurer, ist eben genau nur das: Eine Annahme. Niemand weiß, wie die Welt in 10 Jahren aussieht, geschweige denn Förder- oder Strafkulissen.
Zweifelhafte „Gutachter-Bude“
Überhaupt ist die gewählte Firma Rambøll bemerkenswert! Es ist dieselbe „Gutachter-Bude“, die das Umweltgutachten für den Fehmarn-Belt-Tunnel erstellt hat! Wir erinnern uns: Das Gutachten ist immer noch Anlass für juristische Auseinandersetzungen, weil es wohl von falschen Annahmen bezüglich der Seegrasweisen und der betroffenen Ökosysteme „ausgegangen“ ist. Auch andere Gutachten der Firma, für die (Zitat !) „eine unbefriedigende Datenbasis“ benutzt worden wäre, oder Gutachten für „Trüffel Umweltprojekte“ wie der „Ferrari World in Abu Dhabi“ und dem „König Abdullah Petroleum-Studien und Forschungszentrum in Saudi Arabien“ lassen Zweifel an gemachten Umwelt-Aussagen der rein Profit orientierten Firma aufkommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass in dem Verfahren eine ganzheitliche Betrachtung der CO2-Bilanz schlicht weggelassen wurde: Die Menge an freigesetzter „grauer Energie“ durch Umbau und Modernisierung der Infrastruktur wird die CO2-Einsparung deutlich übertreffen. Der ganzheitliche Ansatz, CO2-Einsparung gegenüber durch Maßnahmen freigesetztem CO2, ist eigentlich schon lange Standard und wird wird hier völlig außer Acht gelassen.
Die CO2-Emissionen der Stadtwerke sinken schon seit langem
In dem „Factsheet“ wird auch die Behauptung aufgestellt, die Stadtwerke wären der größte CO2-Emittent in Flensburg. Das ist schlicht unwahr! Alle Beteiligten wissen bereits seit der Vorlage der Energie- und CO2-Bilanz im Jahr 2020, dass der größte CO2-Emittent der Verkehr ist. Insgesamt hat sich die CO2-Bilanz der Stadt gegenüber 1990 um 31% verbessert, nur die Emissionen durch den Verkehr haben um 29% zugenommen. So wäre es wohl sinnvoll, die Bemühungen der Stadtwerke zu unterstützen, einen klimaneutralen und gut ausgebauten ÖPNV zu schaffen. Aber dafür wird dann kein Geld mehr da sein…
Und so kommen wir zu dem Punkt, der mich am stärksten „ungehalten“ werden lässt. Die selbstgerechte Arroganz von Frau Clara Tempel, die zum Ergebnis des Klimabegehrens am Ratspult doch glatt sagte: „Es ist das Ergebnis des unbeugsamen Willens von mehr als 10.000 Menschen in dieser Stadt!“ – Nein, Frau Tempel, das ist es nicht! Sie haben zusammen mit Ihren „Mitstreitern“ das wunderbare und schützenswerte Instrument des Bürgerbegehrens für Ihre Zwecke instrumentalisiert!
Fragestellung des Klimabegehrens blendete mögliche Risiken aus
Ich bin selber mehr als ein Dutzend Mal von ihren Unterschriftensammler*innen angesprochen worden. Immer wurde die Frage gestellt, „Wollen Sie, dass Flensburg 2035 klimaneutral ist?“ –Klar, wer würde das nicht wollen?! Aber niemand hat auf mögliche Risiken hingewiesen. Darauf angesprochen, wurden Bedenken beiseite gewischt, denn es gibt ja ein Gutachten (siehe oben).
Mal abgesehen davon, dass ich es unangebracht finde, Unterschriften zum Teil auf Stadtfesten einzusammeln, wenn alle euphorisiert und abgelenkt sind! Es ist für die Demokratie und das äußerst sensible Instrument des Bürgerbegehrens katastrophal, für das Sammeln von Unterschriften quasi geschlossene Fragen zu stellen und wichtige Fakten und Bedenken schlicht zu verschweigen oder zu verharmlosen! Sie tun geradezu so, als wäre die Energieversorgung einer Stadt wie Flensburg unter realistischen Umweltschutz- und Wirtschaftlichkeitsbeachtungen so einfach zu bedienen wie die fliegende Windmühle von Professor Paljas und seinem Kumpel Alfred Jodocus Kwak.
Ich bezweifle ernsthaft, dass Sie 10.000 Unterschriften zusammen bekommen hätten, wenn Sie gefragt hätten: „Wollen Sie, dass Flensburg bis 2035 klimaneutral ist, auch wenn die Maßnahmen im Sinne der globalen CO2-Einsparung fragwürdig sind und Energiekosten und Mieten sich vervielfachen und wir kein Geld mehr für den Ausbau des ÖPNV haben?“ Zu Risiken und Nebenwirkungen eines solchen Verhaltens lesen Sie bitte mal ein Geschichtsbuch oder fragen Sie Ihre Großeltern!