Die Linkspartei fährt seit langem einen Harakiri-Kurs, bei dem sie Wähler*innen verliert, keine neuen hinzugewinnt – und so als politische und parlamentarische Alternative für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und eine konsequente Friedenspolitik weitestgehend ausfällt

Die jüngsten Umfragewerte sind erschreckend, auch wenn sie mit Vorsicht zu genießen sind: Aktuell befindet sich die rechtsextreme AfD auf einem Höhenflug von 16-18 Prozent, etwa gleichauf mit SPD (18%) und Grünen (15%) – aber rund drei- bis viermal stärker als Die Linke, die seit fast zwei Jahren nur noch auf 4-5 Prozent kommt. Sieht man allein auf den Osten der Republik liegt die AfD derzeit bei 20-25 Prozent, SPD, Grüne und Linke kommen in einigen Regionen lediglich auf 7-10 Prozent…
Doch es gibt auch eine aktuelle Zahl, die etwas Hoffnung auf eine Schwächung der AfD machen könnte: Etwa zwei Drittel (67%) aller derzeitigen AfD-Wählerinnen und Wähler wählen die Partei nicht aus rechter oder rechtsextremer Überzeugung, sondern „aus Enttäuschung“, wie es jüngst im ARD-Trend hieß.
Viele Menschen, die seit längerem oder erst aktuell mit der AfD sympathisieren, haben in den vergangenen Monaten, Jahren und Jahrzehnten allerdings schlechte Erfahrungen mit den regierenden Parteien gemacht, entweder mit Rot-Grün (SPD/Grüne) oder mit der „GroKo“ (CDU/SPD), mit Schwarz-Gelb (CDU/FDP) oder aktuell und besonders brisant mit der „Ampel“ (SPD/Grüne/FDP). Die hier genannten Parteien haben sich u.a. wegen (im weitesten Sinne) unsozialer und außenpolitisch wenig friedensorientierter Politik zu Recht den Unmut vieler Menschen zugezogen – mal aus Frust, mal aus Wut oder auch wegen nachweisbar sinkenden Lebensstandards oder sozialer Benachteiligung.
Die einzige der bundesweit agierenden Parteien, die diesen Zulauf zur AfD inhaltlich bekämpfen und politisch einigermaßen glaubhaft stoppen könnte, wäre die Linkspartei. – Wäre? Ja, denn sie tut es de facto nicht mehr bzw. nicht mehr ausreichend. Ihre oft sehr kurzen oder verklausulierten Botschaften werden schon seit längerem in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen oder nicht mehr überzeugend dargestellt.
Schon seit einigen Jahren hat Die Linke deshalb massiv an Rückhalt, Sympathie und auch Wahlstimmen verloren. Für Die Linke liegt die stärkste Abwanderung von „Protest-Wähler*innen“, die auf linke sozial- und friedenspolitische Botschaften gesetzt hatten, schon längere Zeit zurück. In den vergangenen vier-fünf Jahren hat sie ihre Ergebnisse vielerorts halbiert…
Dabei hat die Linkspartei doch eine stabile anti-rechte, ja sogar antifaschistische Grundhaltung – oder etwa nicht…? Nun, vieles von dem, was viele Linke-Verantwortliche als Widerstand gegen Rechts nach außen zu signalisieren versuchen, kommt nicht mehr an, denn sie bieten oft nur noch einen ritualisierten und phrasenhaften Antifaschismus (ähnlich wie er der früheren DDR vorgeworfen wird), der innerhalb der Partei ankommt, aber als politische Alternative für weite Teile der Bevölkerung nicht verfängt – schon gar nicht, um eine Abwanderung aus dem demokratischen Spektrum zur AfD zu verhindern und erst recht nicht um verunsicherte und enttäuschende Wähler*innen an die Linkspartei zu binden.
Da war und ist es besonders verheerend, als während der Migrationsdebatte von 2015/16 (und bis heute), zu Zeiten der Coronapandemie und nun auch in Zeiten des Ukraine-Krieges kritische Stimmen durch Linke-Funktionär*innen rigoros und ohne Nuancierung als „Querdenker“, „Rechte“, „Putinisten“ oder gar als „Nazis“ tituliert werden! Diese rhetorische Dampfwalzen-Methode wurde und wird vielen Menschen nicht einmal ansatzweise gerecht – und verstärkt womöglich noch ihre rechte Protestwahl. Zumindest merkten diese Menschen, dass Verständnis und Hilfe aus weiten Teilen der Linkspartei nicht zu holen sind – und wandten sich ab.
Noch verheerender ist es für viele Menschen (und für die Wahlergebnisse der Linken!), dass dieselben Parteifunktionär*innen seit Jahren eine öffentliche Hetz- und Treibjagd auf Sahra Wagenknecht und andere Parteimitglieder veranstalten, deren Ziel es unmissverständlich ist, die Attackierten aus der Partei zu treiben und die eigenen Standpunkte, die bestenfalls innerhalb der Partei mehrheitsfähig sind, absolut zu setzen. Die Linkspartei läuft so Gefahr, zu einer Art Wohnzimmer-Partei zu mutieren, die in der Öffentlichkeit immer weniger als politische Alternative wahrgenommen wird.
Das Ziel der „Bewegungslinken“ (die sich heute euphemistisch „progressive Linke“ nennen), sich in Bewegungen zu verankern und aus den dort Aktiven eine neue Mitgliedschaft aufzubauen, darf ebenfalls als gescheitert angesehen werden. Da sich die „Bewegungslinken“ (teils mit unlauteren Mitteln) in vielen Führungsgremien der Linkspartei (bis in den Bundesvorstand hinein) nun schon seit längerem Mehrheiten verschafft haben, tragen sie auch die Verantwortung für den doppelten Verlust von Wähler*innen.
Zum einen haben sich bereits seit Jahren hunderttausende Menschen aus den Wahlgruppen der Arbeitslosen, Arbeiter und Angestellten von den Linken abgewandt. Zum anderen haben sich Menschen aus politischen Bewegungen nie sonderlich (und schon gar nicht zahlreich) für Die Linke interessiert und aus deren Umfeld weder Wahlstimmen noch ausreichend neue Mitglieder geliefert. „Bewegungslinke“ versuchen bis heute, die Schuld dafür dem „Wagenknecht-Flügel“ in die Schuhe zu schieben und setzen daher das parteischädigende Trommelfeuer immer wieder fort. Dass sie damit die eigene Partei immer weiter Richtung Abgrund treiben, können und wollen sie nicht wahrhaben.
Und so fällt die Linkspartei wegen eines falschen Kurses, für den ein großer Teil der Funktionär*innen in der Partei Verantwortung trägt, wegen falschen und oft unbekannten Personals und einer völlig verfehlten (teils sogar fehlenden) Kommunikation nach außen als mögliche politische Alternative für Niedrigentlohnte, Friedensbewegte und Enttäuschte weitestgehend aus und vermag diese Klientelgruppen nicht mehr an die Partei zu binden.
Linke (innerhalb und außerhalb der Partei) müssen vielmehr mit ansehen, wie die AfD je nach Region derzeit drei-, vier- oder fünfmal stärker bei Wahlen und in Umfragen abschneidet als die Linkspartei. Für Die Linke ist es eine Bankrotterklärung, zu dieser Entwicklung nur überholte Phrasendrescherei eines für viele nicht oder nur schwer nachvollziehbaren Antifaschismus parat zu haben, aber als parlamentarische Kraft gegen den wachsenden Rechtsruck nicht ausreichend gerüstet zu sein!