Erste Beobachtungen zu den dänischen Parlamentswahlen

Es war Anfang Oktober, als die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen von den Sozialdemokraten (S) die Parlamentswahl für den 1. November ausrief. Dabei kündigte sie an, danach eine „breite Regierung“, also mit liberal-bürgerlicher Unterstützung, bilden zu wollen. Sie begründete dies mit den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Krisen. Seit 2019 hatte sie eine sozialdemokratische Minderheitsregierung geführt, die über eine Vereinbarung von den kleineren, (eher) linken Parteien unterstützt wurde.
Als gestern das Wahlergebnis bekannt wurde, hatten diese Parteien noch immer eine knappe Mehrheit. S gewann leicht dazu (27,5%), aber die Unterstützerparteien stagnierten oder verloren viele Stimmen: Die Linkspartei Enhedslisten (EL) büßte ein Drittel ihrer Stimmen ein und erhielt nur noch 5,2%, die Sozialistische Volkspartei (SF) konnte sich bei 8,3% behaupten, während die sozial-liberale Radikale Venstre (R) bei nur noch 3,8% mehr als halbiert wurde.
Damit scheint Mette Frederiksens Taktik aufgegangen zu sein, und sie könnte zukünftig eine noch zentralere Rolle in der dänischen Politik spielen: Sie kann sich nun stärker dem bürgerlichen Lager zuwenden, das nun mit 4 Parteien, deren einzelne Wahlergebnisse von dem der Wahlsiegerin weit entfernt sind, im Parlament vertreten sind und die zusammen rund 36% der Wahlstimmen holen konnten. Einige Stimmen dürften auch aus der stark „gerupften“ sozial-liberalen Partei dort gelandet sein.
Für Enhedslisten ist das Wahlergebnis eine herbe Enttäuschung, konnten doch sie in der vergangenen Wahlperiode einige ihrer Themen in Frederiksens Minderheitsregierung erfolgreich durchbringen. Bei der aktuellen Wahl jedoch scheint EL eine Reihe von links-sozialdemokratischen Sympathiewähler*innen verloren gegangen zu sein, die aus „Sicherheitsgründen“ lieber Mette Frederiksen direkt unterstützt haben („Sicherheit“ war eines der Schlüsselwörter in Frederiksens Wahlkampf). Statt 13 holte die Linkspartei nun nur noch 9 der 179 Parlamentssitze und ist damit 8-größte Partei (2019: Rang 6).
In der traditionell linken Kopenhagener Innenstadt konnte EL als stärkste Partei vier Wahlkreise mit eher geringen Verlusten direkt gewinnen (15-23%). In der west- und südjütländischen Provinz wurde sie jedoch in einigen Wahlkreisen auf ohnehin niedrigem Niveau nahezu halbiert und rangiert mit unter 2 Prozent nur noch als Splitterpartei.
Drei rechtsextreme Parteien konnten zusammen knapp 15% der Wahlstimmen gewinnen. Trotz Zersplitterung und einer Parteineubildung, die aus dem Stand mit 8,1% stärkste Rechtspartei wurde, verfestigt sich dieses Lager im politischen Spektrum Dänemarks. Sie vertreten einen strammen Nationalismus mit teils rassistischer Ausprägung und populistischen Sozialforderungen, was ihnen immer wieder Stimmen aus dem demokratischen Spektrum einbringt. In den traditionell „roten“ Großstädten erreichten sie zusammen „nur“ 5-8%.
Die Wahlbeteiligung war für dänische Verhältnisse mit „nur“ 84% sehr niedrig. Dazu dürfte die weitere Zersplitterung des Parteienspektrums beigetragen haben, aber auch eine gewisse Parteimüdigkeit, die einer politischen und medialen Personalisierung geschuldet sein könnte. Politische Botschaften waren diesmal schwerer auseinanderzuhalten oder wurden von eher inhaltsarmen Schlagwörtern wie „Sicherheit“ und „Veränderung“ überdeckt.