Der Kreisverband der Linkspartei gibt bisherige Friedensforderungen auf

Das Flensburger Tageblatt berichtet aktuell von der Abhaltung von zwei parallelen Ostermarsch-Veranstaltungen in Flensburg. Zum einen hat die linke Friedensbewegung, u.a. mit der Initiative „Bundeswehr abschaffen“ und der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft) eine Demonstration für den Ostersamstag um 11 Uhr mit Beginn am Nordertor, dem klassischen Startpunkt früherer Flensburger Ostermärsche, angemeldet, wie die Veranstalter selbst mitteilten.
Zum anderen gibt es mit dem provokanten Titel „Traditioneller Ostermarsch“ eine Demo, die zum gleichen Zeitpunkt am Gewerkschaftshaus in der Fußgängerzone beginnen soll. Dahinter versammeln sich der evangelische Kirchenkreis, der DGB, die SPD, die Grünen – und der Flensburger Kreisverband Die Linke.
Diese Veranstaltung weicht das früher klare Ziel eines Verbots von Waffenlieferungen in Kriegs- und Krisengebiete auf und stellt weder staatliches Militär (die Bundeswehr) noch die Nato in Frage. Diese Haltung ist nur bedingt „traditionell“ und eher von den aktuellen Ereignissen um den Ukraine-Krieg beeinflusst. – Die andere Ostermarsch-Initiative ist hier deutlicher und in diesem Sinne wohl auch „traditioneller“: Sie fordert: „Keine Waffenlieferungen in die Ukraine und auch nicht anderswohin. Verzicht auf die Produktion von Rüstungsgütern.“
Noch beim letzten gemeinsamen Ostermarsch von 2019 (vor Corona) waren die Forderungen u.a. „Nein zur Aufrüstung. Stopp aller Rüstungsexporte.“ Und: „Umbau von Rüstungsgütern für zivile Nutzung“. – Davon wollen diejenigen, die sich heute selbst als „traditionell“ titulieren, allerdings in diesem Jahr nichts mehr wissen. Kein Wunder, denn insbesondere SPD und Grüne sind derzeit für grundsätzlich andere Haltungen bekannt. Von „Frieden sofort“ ist da nichts zu hören, sondern von ständig neuen Waffenexporten in die Ukraine und teils aggressiv-antirussischer Rabulistik („Russland ruinieren“, A. Baerbock).
Gemeinsam ist beiden Ostermarsch-Aufrufen hingegen eine deutliche Verurteilung des russischen Angriffskrieges sowie die Forderung nach Aufnahme von Deserteuren. – Die Forderungen nach Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages durch die Bundesregierung und die Ablehnung des 100-Milliarden-Rüstungspaketes sowie der Erhöhung des Rüstungsetats auf mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind im DGB-Aufruf hingegen nicht zu finden…
Es darf daher sehr verwundern, dass sich der Kreisverband Die Linke dem Aufruf und der Veranstaltung vor dem Gewerkschaftshaus als Mitveranstalterin anschließt. Schließlich lässt das Linke-Parteiprogramm keinen Zweifel an einer Ablehnung von Rüstungsexporten und erhöhter Aufrüstung sowie an der Forderung nach Überwindung der Nato durch ein gemeinsames europäisches Sicherheitskonzept unter Beteiligung Russlands. Hier verfolgt die Flensburger Partei ganz offensichtlich einen Kurs gegen die grundsätzlichen Parteibeschlüsse – auf Linie mit Waffenexportbefürwortern z.B. aus Berlin, Thüringen und anderswo. Um die „Andersartigkeit“ zu unterstreichen, benutzt der Kreisverband analog zum veränderten Namen „Berliner Linke“ seit einiger Zeit den Begriff „Flensburger Linke“ – aber das dürfte dem Parteiverband nicht viel nutzen!
Ich war 2014 dabei, als auf Initiative des damaligen Kreisverbandes Die Linke Flensburg der Ostermarsch wiederbelebt wurde. Er war – und so war es ganz bewusst angelegt – eine breite Plattform für alle Friedensinteressierten. Trotz unterschiedlicher Haltungen waren die Friedensdemonstrationen für alle offen, die sich gegen Krieg und für Frieden einsetzten. Dies hat bis 2019 funktioniert, und das war gut so! – Es ist jämmerlich, dass sich der Flensburger Kreisverband nun, wo Frieden notwendiger denn je ist, vor den eigenen, sehr deutlichen Parteibeschlüssen wegduckt, sich mit SPD und Grünen zusammentut und dabei wattige und fehlende Formulierungen im Demo-Aufruf mitträgt. Dabei hätte sie eher an die Seite ihres früheren Bündnispartners DFG-VK gehört…
Hinzu kommt, dass sich der Flensburger Linke-Kreisverband im gesamten vergangenen Jahr nicht einmal mit einer Demo, einer Mahnwache oder anderen Friedensinitiativen in der Öffentlichkeit bemerkbar gemacht hat. Vielmehr haben einige seiner Protagonist*innen mit übler Nachrede versucht, Sahra Wagenknecht und andere Genoss*innen für ihr Friedensengagement zu desavouieren. Dies haben einige Genoss*innen auch anderswo (bis in den Parteivorstand hinein) versucht – für das politische Standing der Linkspartei nach außen eine ziemliche Katastrophe!
Wenn sich nun SPD, Grüne, SSW und Linkspartei sowie die evangelische Kirche und der DGB zum Ostermarsch in einem Bündnis wiederfinden, zeugt dies von ihrer Unfähigkeit zur Integration der linken Friedensaktivisten, die als einzige ihr Engagement durch Mahnwachen und Info-Aktionen immer wieder nach außen getragen haben. Damit trägt dieses zweifelhafte Bündnis zur Spaltung der Friedensbewegung (sofern man dies überhaupt so nennen kann) in Flensburg erheblich bei und polarisiert gegen bisher klassische Ostermarsch-Forderungen, die sie teils selbst einmal unterstützt haben. Für die Zivilgesellschaft ist diese Entwicklung katastrophal und signalisiert eine Sanktionierung gegen die Friedensengagierten, die nicht auf dem offiziellen Kurs der Bundesregierung liegen.
Ein Kommentar zu „Katastrophal: Flensburger Ostermarsch findet nicht mehr geeint statt!“