Oskar Lafontaines Parteiaustritt ist weit mehr als ein „Verlust“…

„Egomane“, „Ichling“ – das sind nur zwei Begriffe, mit denen die Journaille Oskar Lafontaine nicht erst seit seinem Parteiaustritt am 17.03.2022 bedacht hat. Schon viel früher nach seinem Rückzug aus Regierung und SPD (1999) hatte sie den abwertenden Mythos des verräterischen „Weglaufens“ geschaffen, um sich nicht mit den Inhalten des Politikers Lafontaine auseinandersetzen zu müssen. Welche konstruierten und abwertenden Begriffe auch immer für ihn gebraucht wurden und heute noch werden, sie wurden und werden ihm nie gerecht, denn sie sind viel zu häufig von Kurzsichtigkeit und kleinkarierter Besserwisserei geprägt.

Oskar Lafontaine stand niemals auf dem Sockel, den andere aus Häme oder eigener Unfähigkeit für ihn errichteten, um ihn „dort oben“ nicht selten nach Strich und Faden zu beleidigen, aber seine politische Linie war von Deutlichkeit und hohem Selbstbewusstsein geprägt, dass er in seiner jahrzehntelangen politischen Laufbahn entwickelt hat – und wohl auch entwickeln musste. Ein bisschen „alte Schule“ war auch immer dabei sowie eine starke, bisweilen einnehmende Rhetorik, in der er seine saarländische Herkunft nie verbarg.

Doch auch einige Linke-Funktionär*innen, die bis in die 2010er Jahre hinein sogar selbst noch in Land oder Bund vom positiven „Lafo“-Effekt mit guten Wahlergebnissen profitiert hatten und Abgeordnete, Fraktionsmitarbeiter*innen oder ähnliches wurden, haben seit ein paar Jahren nichts Besseres zu tun, als ihrem Ex-Vorsitzenden die richtige linke Gesinnung abzusprechen und ihn entweder als AfD-nah oder als „überholt“ abzuqualifizieren.

Mit kleingeistiger Häme wollen sie sich von Oskar Lafontaine distanzieren und vermeintlich besser oder moderner sein. Diese Häme erhält nach seinem Parteiaustritt aus der Linkspartei nochmal einen Aufschwung. Ja, selbst junge Partei-Linke mit kurzer Mitgliedschaft stimmen in diesen Chor ein und werden dafür auch noch von glücklosen Genoss*innen, die derzeit nur Wahlen verlieren können und keine Außenwirkung der Linkspartei entfalten, gebauchpinselt.

Niedere Häme war nie Oskar Lafontaines Sache – Direktheit und Zuspitzung hingegen schon. Manchmal übertrieb er es dabei, aber er ertrug (und überlebte) eigene rhetorische Ausrutscher mit Fassung und eben mit Selbstbewusstsein, denn er zielte fast immer auf den richtigen Kern. – Eine starke Persönlichkeit, Selbstbewusstsein und situative Sicherheit sind seinen innerparteilichen Gegner*innen hingegen oft fremd. Deshalb greifen sie nicht selten zu Häme, Abwertung oder auch zu Intrigen, um ihre Ziele (Mehrheiten und/oder „Pöstchen“) zu erreichen. Einige haben damit „Glück“, aber auch sie verglühen in der Regel bald wieder im eigenen Partei-Univers oder tauchen ab, wenn man sie mit ihren Aktionen konfrontiert.

Die Linkspartei hatte nie besonders viele führende Persönlichkeiten, die auch außerhalb der Partei interessierte Zuhörer und Zuhörerinnen fanden bzw. immer noch finden – und damit den parlamentarischen Anspruch der Partei auch in Wahlstimmen und politischer Stärke abbilden konnten. Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht sind bundesweit nahezu die einzigen, die über lange Zeit mit linken Positionen „draußen“ Gehör und Anerkennung finden und der Partei ein positives Profil zu verleihen in der Lage sind.

In jüngerer Zeit gerieten aber ausgerechnet „Oskar und Sahra“ (und alle, die sie respektieren und wertschätzen) ins Kreuzfeuer parteiinterner Anfeindungen bis in den Parteivorstand hinein, weil sie in ihrem politischen Schaffen nicht auf die (bis heute weitgehend ausbleibende) Unterstützung aus außerparlamentarischen Bewegungen warten, sondern selbst, selbstständig und selbstbewusst linke Politik in die Öffentlichkeit tragen.

Intrigen, Häme und Mobbing waren und sind dann viel zu oft die Mittel, mit denen sie ausgebootet und politisch entwertet werden sollen. Geklappt hat dieser schäbige „Plan“ nie, denn wenn er nach außen spürbar oder gar öffentlich wurde, ging es abwärts mit den Wahlstimmen und damit glücklicherweise oft auch mit den eigenen Karriereplänen…

Die, die aus der zweiten oder dritten Linie der Partei mit abwegigen Unterstellungen und persönlichen Anwürfen versuchen, gegen Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, aber auch Sevim Dagdelen und Fabio De Masi (der sich aus privaten, aber auch parteiinternen Gründen aus seiner aktiven Rolle in der Partei zurückgezogen hat) Stimmung zu machen, haben weder die Größe noch die Fähigkeit, sich mit den Statements und Standpunkten dieser „Promis“ auseinanderzusetzen.

Stattdessen werden sie mit pseudo-ideologischen Etiketten wie „AfD-nah“, „Sozialdemokratismus“, „Querdenker“ oder sogar „Rassismus“ belegt. – Es war Fabio De Masi, der vor einigen Wochen wegen der permanenten Anwürfe etwas nach Fassung rang und feststellte, die Verantwortlichen solcher Beleidigungen seien Leute, die es noch nicht einmal schaffen würden, „einen Saal zu füllen“. Damit mag er Recht haben und gleichzeitig auch eine der Ursachen für die vielen Wahlschlappen der letzten Jahre auf den Punkt gebracht haben.

Die Linkspartei hat also derzeit mindestens zwei fundamentale und hausgemachte Probleme: Zum einen hat sie schon seit einigen Jahren immer mehr Wählerinnen und Wähler aus der großen Gruppe der Niedrigentlohnten und der Rentnerinnen und Rentner verloren, manche sagen auch „vergrault“ (nur noch 5 Prozent der „Arbeiter“ haben 2021 links gewählt!). Die Ursachen dafür sind hinlänglich bekannt, bisher jedoch weder ausreichend akzeptiert oder aufgearbeitet, geschweige denn gelöst!

Zum anderen gibt es kaum Personen und Persönlichkeiten, die Partei oder Bundestagsfraktion öffentlichkeitswirksam nach außen zu vertreten fähig, bekannt genug oder in der Lage sind, ohne dafür aus dem eigenen Stall mit Häme, Ignoranz und Beschimpfungen belegt zu werden. Oskar Lafontaines Parteiaustritt ist deshalb aus beiden Gründen ein Tiefschlag für die Partei – mehr noch als der Austritt von Christa Luft und der Quasi-Rückzug Hans Modrows, die im Osten Verlässlichkeit und politische Impulse verkörperten.

Und so wirkt das derzeitige Bild der Partei eher bemüht als überzeugend. Statt zündender Außenwirkung „pflegen“ zu viele Genoss*innen innerparteilich und in vermeintlicher Solidarität ihre Aversionen gegen „Oskar und Sahra“ und manch andere. Politische Botschaften kommen dabei oft über Phrasen („sozialökologische Wende“) und nicht immer leicht verständliche Begriffe („Erneuerung“ – bloß wie?) nicht hinaus.

Auf der Strecke blieben und bleiben so die Wähler*innen, die Die Linke nicht mehr verstehen oder sich gar nicht mehr angesprochen fühlen und deshalb wegbleiben – und letztendlich bleibt auch die früher starke Außenwirkung der Partei selbst auf der Strecke. Die Stimmenverluste bei nahezu allen Wahlen der letzten Jahre dokumentieren dies eindrücklich.

Neben der massiv entgleisten Kommunikation und einigen programmatischen Aufweichungsversuchen ist dies der wichtigste Grund, warum Christa Luft und Oskar Lafontaine aus der Partei ausgetreten sind. Beiden sollte Anerkennung und Respekt für ihr Wirken entgegengebracht werden, anstatt wegzusehen, die Ursachen zu ignorieren oder hämisch nachzutreten.

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