Nach den krachenden Wahlniederlagen bei der Bundestags- und der Landtagswahl von 2021/22 verliert der Flensburger Kreisverband der Linkspartei bei der Kommunalwahl wieder 40 Prozent der Wähler*innen – und den Fraktionsstatus in der Ratsversammlung!

Das schlechte Ergebnis der Linkspartei war vorhersehbar, denn neben einem falschen politischen Kurs des Kreisvorstandes, der – wie anderswo – Links-Interessierte und Menschen aus den Wahlgruppen der Arbeiter und Angestellten von der Linkspartei abwandern lässt, wurden auch eine Reihe „handwerklicher“ (Wahlkampf-)Fehler gemacht, die die Partei von 7,5 auf nur noch klägliche 4,1 Prozent abstürzen ließen. Nicht viel Neues also im Vergleich zu den Wahldebakeln der beiden vorangegangenen Jahre.
Dass eine „starke Linke“ im Flensburger Rat gebraucht würde und dass die Wahlkämpfenden „ein tolles Team“ seien, war wohl eher an die Linke-Mitglieder selbst adressiert als an die Flensburger Bevölkerung, die sich am bei der Kommunalwahl erneut von der Partei abwandte und gar nicht wählte oder den erfolgreichen Grünen oder Wählergemeinschaften die Stimme gab. Nur noch 1.100 Menschen setzten ihr Kreuz bei der Linkspartei.
Kreisverband ohne kommunalpolitisches Profil – und ohne Aktionsfähigkeit
Was der Kreisvorstand der Linken noch am Wahlabend als „schwieriges Fahrwasser“ für die Partei bezeichnete ist jedoch zu großen Teilen selbstgemacht. – Besonders wahlentscheidend war wohl, dass der Kreisverband über mehr als drei Jahre kein kommunalpolitisches Profil entwickelt und in dieser Zeit nur punktuell auf ein paar wenige Flensburger Ereignisse reagiert hatte. Vielmehr hatte der Kreisvorstand nebst einigen Aktiven die Ignoranz gegenüber der Flensburger Ratsfraktion, die nicht auf ihrer Linie lag, konsequent durchgezogen.
Während die Ratsfraktion über die Jahre für eine 50-Prozentquote für Sozialwohnungen bei Neubauten, für einen bezahlbaren Nahverkehr, für mehr Frauenhausplätze, für eine gerechte Kulturförderung oder für die Fortführung von Schwangerschaftsabbrüchen im geplanten neuen Krankenhaus und damit für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen kämpfte (um nur mal einige der Schwerpunkte zu nennen) und damit auch recht häufig in der Tagespresse beachtet wurde, blieb der Kreisverband in seinen „sozialen“ Medien dazu weitestgehend stumm und teilte der Flensburger Bevölkerung dazu so gut wie nichts mit. Ein paar hektische Aktivitäten vor der Wahl konnten die vielen selbstgemachten Leerstellen nicht mehr glaubhaft ausfüllen…
Auch in der aktuellen Krise im Gefolge des Ukraine-Krieges gab es vom Kreisverband weder eigene Straßenaktionen, Saalveranstaltungen noch über floskelhafte Äußerungen hinausgehende Statements. Der auf Bundes- und auch auf Kreisebene noch im August 2022 proklamierte „heiße Herbst“ für soziale Gerechtigkeit fiel in Flensburg ebenso aus wie im ganzen Land oder auf Bundesebene. Und wenn mal von „Preissteigerungen“ und „Inflation“ gesprochen wurde, fand die eigentliche Ursache – nämlich die falsche Sanktionspolitik von Bundesregierung und EU – dabei keine Erwähnung. Doch die Menschen, die dadurch in eine noch größere finanzielle Klemme geraten waren, sehen die Zusammenhänge klarer als der Flensburger Linke-Vorstand oder der Landes- bzw. Bundesvorstand der Linkspartei.
Keine friedenspolitischen Aktionen – dafür wiederholte Attacken auf Sahra Wagenknecht
Die gleiche Passivität zeigte sich im zweiten, eigentlich linken Kernthema – in der Friedenspolitik. Seitens der Flensburger Linkspartei gab es dazu – wie auch im Land und im Bund – keine eigene Aktion oder Kundgebung. Vielmehr stürzten sich Mitglieder des Kreisvorstandes, die jetzt auch zur Kommunalwahl antraten, in den „sozialen“ Medien schon seit längerem mit Geheul auf Sahra Wagenknecht und am Jahresanfang auch auf die erfolgreiche Wagenknecht/Schwarzer-Friedensinitiative und verunglimpften damit nicht nur die Politikerin, sondern auch Teile der Mitgliedschaft – und verschreckten damit nicht zuletzt auch Wählerinnen und Wähler.
In ihren Posts (hier nur eine kleine Auswahl) stand u.a. öffentlich zu lesen: „Wir als @linke_sh haben uns schon positioniert: Schmeißt Sie [SIC!] und ihre Gefolgschaft endlich raus!“, „Die einzige, die ihren politischen Kompass verloren hat, ist @SWagenknecht selbst. (…) Ausschluss wann?“ oder „SW muss raus aus der Partei“… Einige Mitglieder und auch Teile der Öffentlichkeit sind über so etwas „not amused“ und wenden sich auch deshalb von der Linkspartei ab.
Inszenierte neue Kreisspitze sorgt seit drei Jahren für Erfolglosigkeit
Beifall für diesen falschen Kurs erhalten diese Verfasser*innen lediglich im innerparteilichen Milieu – und nicht zuletzt beim jahrelangen Stichwortgeber Lorenz Gösta Beutin, der den Anti-Wagenknecht-Kurs seit Jahren aktiv befeuert und in seiner früheren Zeit als Landesvorsitzender 2019 alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um den früheren, bei Öffentlichkeitsarbeit und Wahlergebnissen erfolgreich agierenden Kreisvorstand durch einen neuen, seiner „Linie“ wohlgesonnenen zu ersetzen.
Vor Ort in Flensburg übernahmen sein neu angeworbene Büromitarbeiter Jähring und eine Handvoll Altgenoss*innen dafür die Regie, um mit einem Dutzend neuer Mitglieder die Mehrheitsverhältnisse in ihrem Sinne zu verändern und kurz darauf das Neu-Mitglied Grimminger im neuen Kreisvorstand zu platzieren… Seitdem dünnte in Flensburg die Öffentlichkeitsarbeit aus und drei wichtige Wahlen gingen mit hohen Verlusten verloren.
Konfrontation als Machtpolitik der Wahlverlierer
Der beutin‘sche Kurs der „Bewegungslinken“, später auch „solidarische Linke“ und „progressive Linke“ genannt, wurde bereits 2015 vom damaligen Bundesführungs-Duo Kipping/Riexinger und ihren Vertrauten (Beutin gehörte schon früh dazu) gegen den „Wagenknecht-Flügel“ und andere Strömungen in Gang gesetzt und seitdem immer weiter vorangetrieben. Sahra Wagenknecht und andere Linke wurden und werden systematisch ausgegrenzt und attackiert, während gleichzeitig von einer „modernen“ Partei und von „Pluralität“ fabuliert wird. Der derzeitige Flensburger Kreisverband sprang schon kurz nach seinem Amtsantritt auf diesen Kurs auf…
Ergebnis dieses angeblich „progressiven“ Kurses ist allerdings ein seit 2018 zunehmend schwindendes Interesse der Öffentlichkeit an der Linkspartei, deren teils floskelhafte, teils akademische Sprache sie nicht mehr versteht bzw. als das versteht, was sie ist: theoretische Phrasen, die ihre Wirkung bestenfalls nur noch in Parteizirkeln entfalten. Für ihre früher starken Kernthemen der sozialen Gerechtigkeit und einer konsequenten Friedenspolitik, die nun viele Menschen nicht mehr erreichen, hat sich dies als kontraproduktiv herausgestellt. Viele schlechte Wahlergebnisse der vergangenen Jahre belegen dies deutlich – auch in Flensburg.
Dies hinderte eine Mehrheit des Landesparteitages im Herbst 2022 nicht daran, eine Forderung zu beschließen, die Sahra Wagenknecht im Bundestag das Rederecht verweigert und sie aus der Fraktion ausschließen soll. Flensburger Delegierte und der neu gewählte Landessprecher Grimminger waren bei dieser Machtdemonstration ganz vorne mit dabei. – Nicht nur in Teilen der Mitgliedschaft hat dieser aggressive Konfrontationskurs großes Befremden ausgelöst.
Vor Ort: Ein „sparsamer“ Wahlkampf, der wenig Wirkung zeigte
Im eigentlichen Wahlkampf blieb vieles für die Öffentlichkeit nur schwer nachvollziehbar. So gab es keine Wahlplakate, die direkt auf die Flensburger Kommunalpolitik zielten. Stattdessen wurden landesweit dieselben Plakate aufgehängt – mit dem eher kindlich anmutenden Grafikdesign und dem gleichen, recht unkonkreten Slogan („Das gute Leben für alle“) wie bei der Landtagswahl. Doch schon damals hatte diese Kampagne nicht gezogen und im Landesergebnis wie auch in den Kreisen die Wahlergebnisse glatt halbiert.
Diesmal hatte der Flensburger Kreisverband allerdings versucht, mit Partei-Prominenz aus der Bundespartei mehr Aufmerksamkeit zu erhalten. Doch für die Öffentlichkeit wurden diese Besuche nur sparsam vor- und noch sparsamer nachbereitet. Die wenigen veröffentlichten Fotos zeigen eine nur geringe Beteiligung – und von den Besuchen des Bundesvorsitzenden Schirdewan und der Mietenexpertin der Bundestagsfraktion Caren Lay wurde nicht ein einziger zitierfähiger Satz (und damit auch kein konkreter Inhalt!) überliefert. Damit verpufften diese Aktionen für die Öffentlichkeit nahezu ungehört…
„Sparsam“ – oder eigentlich nahezu nicht existent – war auch die Einbindung der gesamten Mitgliedschaft in den Wahlkampf, der offenbar wenig transparent auf anderen Kanälen organisiert wurde als bei Mitgliederversammlungen und E-Mail- oder Briefinformationen über Wahlkampfaktionen für alle Mitglieder… Die letzte Mitgliederversammlung des Kreisverbandes fand am 26.02. statt, doch selbst dort stand das Thema Wahlkampforganisation nicht auf der an die Mitglieder versendeten Tagesordnung.
Trotz der dritten Niederlage droht ein uneinsichtiges „Weiter so“
Und so befindet sich Die Linke eben nicht in „schwierigem Fahrwasser“, wie der Flensburger Kreisvorstand die dritte krachende Niederlage am Wahlabend in den „sozialen“ Medien ausweichend zu verkaufen versuchte. Die meisten Ursachen für das schlechte Abschneiden sind hausgemacht – in Flensburg ebenso wie im ganzen Bundesland. Und am Tag nach dem Wahldesaster ergingen sich die Verantwortlichen dann lieber in Lobeshymnen für das Bremer Wahlergebnis vom gleichen Sonntag, wo die Linkspartei ihr Ergebnis halten konnte…
Wie das Pfeifen im dunklen Wald mutete eine auch Medien-Aktion mehrerer „progessiver“ Landesvorsitzender (auch aus Schleswig-Holstein) sowie des Vize-Parteichefs Beutin an, in der es ebenfalls am Montag nach den Wahlen unter dem Schlagwort „Los geht‘s“ u.a. heißt: „Wir arbeiten im Hier und Jetzt daran, konkrete Politik für Arbeiter:innen, Arbeitslose, Alleinerziehende, Auszubildende, Ausgegrenzte usw. bis zum streikenden Zugpersonal zu machen. Wir nehmen die Sabotage und die Demontage der LINKEN nicht länger hin!“
Nun, mal abgesehen davon, dass auch in Bremen die Wahlgruppen der Arbeiter, Arbeitslosen und Angestellten immer weniger die Linkspartei wählten: Hier sollen – wie auch nach den vorangegangenen Wahldebakeln – die inneren Reihen geschlossen werden. Deswegen fehlt auch in diesem Aufruf nicht die Attacke der Pseudo-Progessiven „im Hier und Jetzt“ gegen die „Linkskonservativen“ – gemeint ist der Wagenknecht-Flügel, der nun schon zum x-ten Mal als Sündenbock für die zahlreichen Fehlentscheidungen und Wahlniederlagen und nahezu verschwörungstheoretisch für „Sabotage und Demontage“ (da fehlt eigentlich nur noch der staatssozialistische Begriff der „Wühltätigkeit“) herhalten soll. Selbstkritische Einsicht oder gar den Appell zum programmatischen Umsteuern sucht man in solchen Erklärungen vergebens… Und so bleibt es wohl vorerst beim trotzigen „Weiter so“ – das sind keine guten Aussichten!
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Schon vor längerer Zeit schrieb ich:
• Linke-Absturz: Auch vor Ort größtenteils hausgemacht (nach der Bundestagswahl, 29.09.2021)
• Linkspartei: Selbst veursachtes Chaos führt zur Implosion! (zum falschen „bewegungslinken“ Kurs der Linkspartei, 10.10.2022)