Die Dominanz der katholischen Verweigerung von Schwangerschaftsabbrüchen im neuen Krankenhaus steht weiter in der öffentlichen Kritik. Derweil versuchen Teile der Flensburger Politik, den Schwarzen Peter für kollektives Nichtstun Simone Lange zuzuschieben…

Die Kritik an der ungelösten Frage der Zukunft von Schwangerschaftsabbrüchen im geplanten Krankenhaus und in der Stadt reißt nicht ab. Am 07.04.2022 veröffentlichte das Flensburger Tageblatt weitere Leserbriefe, nachdem die Verwaltung im letzten Sozialausschuss mitteilen musste, dass es aus Sicht des zu diesem Thema eingesetzten Arbeitskreises keine Lösung gebe. Entweder stünden der katholischen Teil der neuen Krankenhaus-Trägergesellschaft oder entschieden zu hohe Kosten für den Sonderweg eines eigenen Frauen-Klinikgebäudes einer Lösung entgegen.
Ein Leserbriefschreiber mit medizinischem Doktortitel führt aus: „Die Entscheidung, einen Patienten im Krankenhaus zu behandeln, hat sich einzig und allein und ohne jede Ausnahme an medizinischen Gesichtspunkten zu orientieren, weltanschauliche oder religiöse Gründe dürfen hierbei keine Rolle spielen. Dass das verhandelnde Führungspersonal des Diakonissenkrankenhauses einer definierten Patientengruppe, die sie jahrzehntelang im ‚eigenen Haus‘ behandelt hat, in Zukunft – auf Wunsch der Malteser – von der medizinischen Versorgung ausschließt, ist skandalös.“ Und er schließt mit den Worten: „Ein derartiges ethisch-moralisches Problem lässt sich nicht mit Baumaßnahmen lösen. Es bleibt nur, die Malteser auszuwechseln oder alles so zu lassen, wie es ist.“ – Dem hat die Linksfraktion nicht viel hinzuzufügen!
Es war wohl nicht auszuschließen, dass dieses Thema von Teilen der Politik auch für Wahlkampfzwecke im laufenden Landtagswahlkampf, aber auch im bereits begonnenen Wahlkampf zur Flensburger OB-Wahl missbraucht wird. – Den ersten Aufschlag dazu machte der Flensburger CDU-Chef Rüstemeier, der der Presse am 03.04. mitteilte, es werde „nach langjähriger Arbeit eines Arbeitskreises unter schleppender Moderation der Oberbürgermeisterin tatsächlich vorgeschlagen, nun die Fragestellung nach der Sicherstellung des Versorgungsauftrags in Kiel zu adressieren“.
Nun, Herr Rüstemeier verwechselt hier Ursache und Wirkung, denn er verschweigt in seinem alleinigen Vorwurf an die Oberbürgermeisterin Simone Lange, dass es primär die katholischen Malteser sind, die eine Fortführung der derzeitigen Praxis von Schwangerschaftsabbrüchen verhindern. Kritisiert wurde das von der CDU in diversen Ausschusssitzungen nie, auch Vorwürfe an den Arbeitskreis oder OBin Lange waren nicht zu hören. – Eine ehemalige ärztliche Leiterin der Diako schreibt auch mit Blick auf die zögerliche Haltung der Jamaika-Landesregierung dazu in ihrem Leserbrief:
„Welch eine Dreistigkeit des Herrn Rüstemeier, mal wieder alles zu verdrehen. Die Landesebene hat die gemeinsame Trägerschaft von Diako und Maltesern gefordert, ohne die Konsequenzen zu bedenken und rechtzeitig zu regeln, und möchte nun gerne alles ignorieren. Redet von einem erfüllten Versorgungsauftrag, der eben einfach nicht existiert.“ Und: „Wenn jetzt nicht ganz schnell geklärt wird, dass ein Krankenhaus mit öffentlichem Versorgungsauftrag, mit Steuern durch uns alle finanziert, mit Mitarbeitenden, die ihrem Gewissen verpflichtet arbeiten wollen, auch Frauen in allen Situationen zu versorgen hat, dann muss das eben landesweites Wahlkampfthema werden.“
Zwei Tage später stieß die Flensburger SSW-Fraktionsvorsitzende Schäfer-Quäck in ein ähnliches Horn, verlangte von OBin Lange bis zum Sommer eine Lösung – und ging elegant darüber hinweg, dass auch ihre Fraktion über Jahre die Konsequenzen der Verweigerung von Schwangerschaftsabbrüchen weder formulieren noch mit realistischen Alternativen versehen wollte: „Ich finde das Vorgehen der Oberbürgermeisterin sehr bedauerlich, weil das Jahrhundertprojekt Zentralkrankenhaus auf diese Weise in Misskredit gerät. Der SSW unterstützt nach wie vor den Bau eines modernen Zentralkrankenhauses. Aber wir erwarten auch, dass die Herausforderungen mit den mangelhaften Angebot an Schwangerschaftsabbrüchen zeitnah gelöst wird.“ – Neben dem Vorwurf an die Oberbürgermeisterin verliert sich die Ratsfraktion des SSW also ebenfalls im Nebulösen…
Für die Linksfraktion ist das falsche Zuspielen der Bälle, wie CDU und SSW es gerade betreiben, nichts anderes als vom Wahlkampf geleitete Nebelkerzen. Wenn die auch von ihnen gestellte absolute Mehrheit der Ratsfraktionen über Jahre nach dem Prinzip Hoffnung verfahren ist, wie es auch die Oberbürgermeisterin und die Verwaltung getan haben, dann sind diese Schuldzuweisungen und Forderungen unredlich und ihre Motivation durchschaubar!
„Das jahrelange Zögern hat der Stadt geschadet!“, adressiert die Linksfraktion besonders an CDU, SSW, SPD, WiF und FDP, aber auch an die Verwaltung und OBin Lange: „Zu viele Akteure haben zu lange und zu gutgläubig auf das falsche Pferd gesetzt. Das Taktieren, um die Ratsresolution von 2019 zur Fortsetzung klinischer Schwangerschaftsabbrüche nicht konsequent umzusetzen und die Malteser nicht vor den Kopf zu stoßen, ist gescheitert. Die Ratsresolution und die katholischen Malteser mit ihrer Blockade bleiben unvereinbar. Ein modernes Krankenhaus kann es daher nur ohne sie geben. Sehr viele in unserer Stadt dürften das ähnlich sehen. Verwaltung und Politik müssen jetzt umsteuern – und schon getroffene Entscheidungen rückgängig machen, damit die Sache nicht noch peinlicher wird.“