OB-Wahl in Flensburg: Für Simone Lange ist die Wiederwahl kein Selbstläufer

Ein Kommentar zu ersten „Bewegungen“ im Kandidatenkarussell. Hat die jetzige Oberbürgermeisterin im September noch Chancen für eine zweite Amtszeit?

Dass sozialdemokratische Köpfe in politischen Führungspositionen nicht automatisch revolutionäre Veränderungen zustande bringen, ist hinlänglich bekannt – sei es im Bund, im Land oder auch in der Kommune. Bei uns in Flensburg erfolgt nach ersten Sondierungen hinter den Kulissen gerade der Auftakt für die Wahl einer Oberbürgermeisterin oder eines Oberbürgermeisters (OB/in), in der es zunächst um die Kandidaturen geht… Am 18. September 2022 wird dann gewählt.

Nun hat auch die derzeitige Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) hat ihre Kandidatur für eine Wiederwahl angekündigt, während die die drei „bürgerlichen“ Parteien CDU, FDP und WiF (Wir in Flensburg) auf einen konservativen Kandidaten setzen. Schon vor einigen Wochen wurde der regionale Arbeitgeberpräsident Fabian Geyer als Kandidat von ihnen nominiert. – Ob die Grünen, die derzeit vor Kraft kaum laufen können (aber einiges an Ansehen bereits verloren haben), der SSW oder andere Parteien eigene Namen ins Rennen schicken, ist noch unklar.

Simone Lange „mit der Faust in der Tasche“ wiederwählen…?

Im Mitte-Links-Spektrum könnte Simone Lange über die SPD hinaus zumindest teilweise auf einen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad setzen, solange die Grünen nicht mit einer aussichtsreichen Kandidatin bzw. Kandidaten um die Ecke kommen. Im Falle einer Stichwahl zwischen ihr und dem konservativen Kandidaten müsste sie sich allerdings sehr anstrengen, um auch das linke Spektrum und bisherige Nicht-Wähler*innen für sich gewinnen zu können, denn die ganz große OB-Wahlkoalition mit der CDU von 2016 gibt es nicht mehr. Dann müsste sie zeigen, was sie „links drauf hat“…

Es könnte sonst auf eine Wahl hinauslaufen, bei der einige eher links Orientierte ihr bestenfalls „mit der Faust in der Hosentasche“ die Stimme geben, um einen konservativen OB zu verhindern. Das sind nicht die besten Voraussetzungen für eine Wiederwahl, zumal Simone Lange in der derzeitigen Wahlperiode als Sozialdemokratin nicht mit einer erkennbar sozialen und progressiven Politik geglänzt hat.

Zu wenig soziale Impulse

Dass Flensburg von materieller Ungleichheit und überdurchschnittlicher Armut geprägt ist, war bereits vor Simone Langes Amtszeit so – doch hat sie wenig dazu getan, Impulse für eine positive Veränderung zu setzen. Dass sie Wohnungsnot in Flensburg geleugnet und einen qualifizierten Mietspiegel oder die Gründung einer städtischen Wohnbaugesellschaft abgelehnt hat, um sich mit der privaten Wohnungswirtschaft gut zu stellen, ist nicht vergessen. Und so fehlen noch immer rund 5.000 bezahlbare Wohnungen in Flensburg. Eine sozial orientierte Initiative gab es dazu von ihr nicht.

Seit aktuell nahezu alle Lebenshaltungskosten, besonders bei Strom- und Heizkosten und im Nahverkehr, nahezu explodiert sind, hat dies die Schieflage für die rund 25.000 Menschen mit viel zu niedrigen Einkommen weiter verschärft. Von OBin Lange war dazu nichts zu hören, auch nicht zu den Initiativen der Linksfraktion, die Fahrpreiserhöhung vom Sommer 2021 zurückzunehmen, eine Nahverkehrsstrategie mit sinkenden Fahrpreisen zu diskutieren oder Stromsperren dauerhaft zu verbieten. Bei diesen und anderen sozialen Themen blieb sie still und hat keine Akzente gesetzt. – Das erstaunt besonders, wenn man sich an ihre linken Standpunkte bei der Kandidatur für den SPD-Vorsitz erinnert…

Gesundheitspolitische Versäumnisse

In der Corona-Pandemie beschränkt sich Simone Lange zu sehr auf Impf-Appelle (was durchaus richtig ist), doch vor einigen Monaten hat das städtische Gesundheitsamt nahezu „alle Viere von sich gestreckt“ und konnte zentrale Aufgaben der Pandemiebekämpfung nicht mehr ausreichend leisten. Nachdem die Behörde schon seit langer Zeit an der sehr kurzen finanziellen Leine gehalten worden war, hätte sie spätestens vor ein-zwei Jahren für eine bessere Ausstattung sorgen müssen (nicht nur bei der immer noch fehlenden ärztlichen Leitung!). Aber genau das ist nicht ausreichend erfolgt.

Zum gesundheitspolitischen Bereich gehört auch die Planung eines neuen Krankenhauses, das die beiden „in die Jahre gekommenen“ Häuser von Diako und Maltesern zusammenfassen soll. Dieser Plan wurde 2017 von allen politischen Fraktionen begrüßt. Dass dort aber wegen der kirchlichen Trägerschaft keine klinischen Schwangerschaftsabbrüche möglich sein sollen, ist nicht zuletzt wegen des nun schon jahrelangen Lavierens der OBin zu einer peinlichen Dauerdebatte geworden. Simone Lange versucht, Sonderwege zu gehen (die die Stadt dann womöglich finanziell auch noch stark belasten), anstatt auf der Grundlage des Ratsbeschlusses von 2019, der die Fortsetzung klinischer Schwangerschaftsabbrüche fordert, klare Kante zu zeigen. Mit Wegducken geht frauenpolitische und soziale Politik nicht! – Und mit dem viel zu frühen Verkauf des Grundstücks für das neue Krankenhaus und der für die Stadt ungeklärten Frage der Altgrundstücke wurde die Stadt zur Zuschauerin degradiert.

Zweifelhafte Prioritäten und „nette“ Image-Rhetorik

Kostenintensive Gartenschauen, Parkverschönerungen und andere Prestigeprojekte schlagen mit Millionen in der klammen Stadtkasse zu Buche – das ist Geld, was für dringende Sozial- oder Klimamaßnahmen fehlt! Beim Großbauprojekt am Hafen-Ost findet Simone Lange mit ihrer Verwaltung große Worte für „Suffizienz“ und „Stadterneuerung“, aber kein klares Wort zu einer höchst notwendigen sozialen und bezahlbaren Wohnungsstruktur. Hier könnten (und müssten!) nicht erst seit den jüngsten Kostenexplosionen mehr als 30 Prozent bezahlbare Wohnungen entstehen, doch das wird von der OBin nicht thematisiert. Da kommt nicht viel Freude für den neuen Stadtteil auf!

In der Außendarstellung Flensburgs und ihrer eigenen Arbeit fallen häufig die beiden Begriffe „bunt“ und „solidarisch“. Doch das ist mehr Imagepflege als Realität, denn die soziale Situation der Stadt ist teilweise dramatisch – und weder „bunt“ noch „solidarisch“. Bei der Sozial- und Wohnungspolitik ist Flensburg eher ein dringender Sanierungsfall. Das kann und darf nicht mit positiven Schlagwörtern übertüncht werden! – Simone Langes positive Bilanz bei Aufstellung, Struktur und Arbeitsstil der Flensburger Verwaltung oder beim Schulneubau dürfte dagegen nicht wahlentscheidend sein.

Nur mit klarer sozialer Linie gibt es eine Wiederwahl

Simone Lange muss sich nun mächtig anstrengen, um die Stadt Flensburg bei den oben genannten (und einigen anderen) Themen endlich voranzubringen und die dazu notwendigen Schwerpunkte nicht nur anzukündigen, sondern mit klaren Handlungsplänen glaubhaft zu vermitteln. Gegen ihren konservativen Gegenkandidaten hat sie in ihrer ersten Amtszeit nicht allzu viele Bonuskarten gesammelt, mit denen sie ein solches Duell leicht gewinnen könnte. Auch bei den Ärmsten der Stadt hat sie keinen Amtsbonus, denn der Nichtwahl-Anteil in der Bevölkerung ist groß; die Wahlbeteiligung lag 2016 bei nur 31 Prozent!

Schon bei ihrer ersten Wahl gab es von links keine überschwängliche Begeisterung für die neue Oberbürgermeisterin. Das dürfte sich angesichts einer eher dünnen Bilanz in der Sozial- und Wohnungspolitik nicht wesentlich ändern – und so bleibt derzeit wohl nur das Hoffen auf eher linke Wahlstimmen „mit der Faust in der Tasche“ und auf die Verhinderung eines konservativen Kandidaten, mit dem eine soziale Politik in noch weitere Ferne rücken würde. – Eine Garantie fürs Weitermachen ist das für OBin Lange allerdings noch nicht. Für eine Amtsperiode „Lange II“ braucht es keine Visionen oder freundlichen Überschriften mehr, sondern klare soziale Impulse und soziales Handeln! Wer sich wie Simone Lange als auch politisch Handelnde versteht, sollte politisch Farbe bekennen. Dann klappt‘s vielleicht auch mit der Mehrheit.

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