Erstmals trat im Nachbarland ein links-grünes Wahlbündnis an – und landete bei den Parlamentswahlen auf einem achtbaren zweiten Platz

Frankreich ist „anders“ – auch politisch, und erst recht im gesellschaftlich linken Lager. Als Reaktion auf den Niedergang der „Sozialisten“, die eigentlich eher sozialdemokratisch handelten, ging seit 2015 die zunächst außerparlamentarische Linksbewegung „La France Insoumise“ („Unbeugsames Frankreich“, LFI) an den Start. Schon 2017 trat LFI mit seiner Frontfigur Jean-Luc Mélenchon erstmals zu Parlamentswahlen an und holte im 1. Wahlgang aus dem Stand 11 Prozent der Wahlstimmen.
In der zunehmenden Kritik der französischen Bevölkerung an der neoliberalen Politik des Präsidenten Emmanuel Macron einigten sich LFI, die grüne Partei, die „Sozialisten“ und die kommunistische Partei PCF auf ein Wahlbündnis (NUPES, „Nouvelle union populaire écologique et sociale“), um weitere neoliberale Schritte, wie z.B. eine Anhebung des Rentenalters, zu verhindern. Mit klaren sozialen und ökologischen Positionen sammelte das Bündnis schon im April 2022 bei den Präsidentschaftswahlen (27%) eine starke Anhängerschaft.
Im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen am 5. Juni wurde NUPES mit 26% zweitstärkste Kraft. Da in Frankreich ein Mehrheitswahlrecht gilt (d.h. nur der/die Gewinner/in eines Wahlkreises zieht mit mehr als 50% aller Wahlstimmen ins Parlament ein; ein prozentuales Verhältniswahlrecht wie in der BRD gibt es nicht), setzte sich der Wahlkampf bis zur gestrigen zweiten Wahlrunde fort. Für eine Mehrheit im französischen Parlament hat es zwar nicht gereicht, dafür aber für einen deutlichen Achtungserfolg.
Bei sehr geringer Wahlbeteiligung (46,2%) konnte NUPES an reinen Wahlstimmen noch auf 31,6% zulegen (2017 als getrennte Parteien: 25,5%) – und sie gewannen in 23% der Wahlkreise und damit 131 Parlamentssitze (2017 nur 58). Das Bündnis ist damit zweitstärkste Kraft im Parlament – nach Macrons neolieberalem Parteienbündnis (245 Sitze), das die absolute Mehrheit von 289 Sitzen verlor, und deutlich vor den Rechtsextremen mit 61 Sitzen.
In Frankreich lässt sich im gesellschaftlich-linken Lager also schon seit 2017 eine deutliche Stärkung des links-sozialistischen Lagers feststellen – im Gegensatz zur Entwicklung der deutschen Linkspartei. Während Mélenchon und NUPES eine wachsende Unterstützung bei Arbeitern und Niedrigentlohnten erhält, wandern seit mehreren Jahren in der Bundesrepublik genau diese Wählerschichten von der Linkspartei ab.
Eine falsche strategische Ausrichtungen der Bundespartei mit dem Ziel, ein urbanes, eher „grün“ orientiertes Publikum anzusprechen, hat sich Die Linke bei Wahlergebnissen von bundesweit 9,2% (2017) auf unter 5% (2021/22) geradezu halbiert. Auch bei gewerkschaftlich organisierten Wähler*innen sinkt die Unterstützung trotz zunehmender Krisenerscheinungen. – In Frankreich hingegen stehen die traditionell starken und kampfbereiten Gewerkschaften hinter NUPES und zu nicht geringen Teilen auch hinter Mélenchons LFI. „Frankreich“ kann also aus einer längeren Entwicklung heraus einen linken Erfolg vermelden und hat nun einen unübersehbaren, breit unterstützten linken Akteur in der Politik.