AKW-Abfall „gesamtgesellschaftlich“ auf Deponien verteilen – und Augen zu vor Bürgerinteressen!

Der grüne Umweltminister spricht wie sein Vorgänger von „Dialog“, bleibt aber der Anweisungspolitik von oben treu
Ein Kommentar von Herman U. Soldan
Das war zu befürchten: Der für die Abwicklung der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke zuständige Minister Jan Philipp Albrecht (B’90/Grüne) behält die äußerst zweifelhafte Linie seines Vorgängers Robert Habeck, der sich inzwischen aus dem (Atom-)Staube gemacht hat und bereits als Kanzler der BRD gehandelt wird, bei. Das aus dem Abriss der AKWs schwach strahlende Material soll auf nun noch vier Bauschutt-Deponien (vorher waren sieben im Gespräch) verteilt werden. Dabei ist insgesamt von mindestens 50.000 Tonnen die Rede.
Die Deponie Balzersen in Harrislee – nur wenige Meter von der dänisch-deutschen Grenze entfernt – bleibt nach Albrechts Plänen als einer der vier Einlagerungsorte aktuell. Dabei war doch dort die Haltung von Gemeinde und Bevölkerung eindeutig: Der Gemeinderat aus SPD, CDU und SSW hatte sich 2016 und 2018 (ebenso wie der Deponie-Besitzer selbst) einstimmig gegen eine Anlieferung von AKW-Abfall ausgesprochen.
Darüber hinaus hatte sich dort schon 2016 die Bürgerbewegung BAESH mit Angela und Jörg Wolff an der Spitze gegründet, die sich auf höchstem fachlichen Niveau und beeindruckendem persönlichen Engagement gegen die Habeck-Albrecht’schen Pläne positioniert hat und starken Rückhalt in der Bevölkerung – bis hin zum parteilosen Harrisleer Bürgermeister – genießt.
Als der derzeitige Umweltminister gestern die Fortsetzung der Deponie-Einlagerungspolitik verkündete, verwendete er die gleichen Tricks wie sein Vorgänger Habeck: „Das ist im Grunde Abfall wie jeder andere“, behauptete er – und es bestünden keinerlei gesundheitliche Gefahren. Damit bedient der Minister die Interessen der eigentlich für die AKW-Entsorgung zuständigen Betreiberfirmen Vattenfall und Preussen Elektra. Und mit der Politik der „grünen Wiese“ (bei der von den AKW-Standorten nichts übrig bleiben soll) entlastet er die Konzerne von milliardenschweren Investitionen einer sicheren Einlagerung auf den derzeitigen Geländen – ein weiteres Indiz dafür, wie gut sich Grüne mit dem „gewöhnlichen Kapitalismus“ zu arrangieren verstehen… Aus Kiel und von den Grünen also nichts Neues.
BAESH-Sprecherin Angela Wolff wirft Albrecht nach dessen Verkündigungen Ignoranz gegenüber den geltenden Grenzwerten für radioaktive Strahlung vor: „Das Strahlenschutzgesetz fordert, dass die Strahlenbelastung auch unterhalb der Grenzwerte so niedrig wie möglich zu halten ist.“
In einer Presseerklärung der Initiative BAESH heißt es außerdem: „Eine Strahlendosis in Höhe von 10 Mikrosievert pro Jahr ist etwa doppelt so hoch wie die jährliche Strahlenbelastung durch ein Atomkraftwerk im Normalbetrieb (ca. 5 Mikrosievert). Diverse Untersuchungen wie etwa die KiKK-Studie, die ein erhöhtes Kinderkrebsrisiko in der Umgebung von Atomkraftwerken nachgewiesen hat, belegen die Gefahren der Niedrigstrahlung. Entsprechend hat der Deutsche Ärztetag sich 2017 gegen die Freigabe von strahlenden Abfällen beim AKW-Abriss ausgesprochen.“
Der nun auch von Grünen-Minister Albrecht fortwährend im Munde geführte „Dialog“ mit den betroffenen Gemeinden ist übrigens von Vorgänger Habeck bereits gründlich ausgehebelt worden, als klar wurde, dass sich z.B. die Harrisleer Gemeinde deutlich gegen die Einlagerungspläne gestellt hatte. – Und so wird es wohl auch beim neuen Minister auf ministerielle Anordnungen hinauslaufen. Damit werden die Interessen der Menschen und die kommunale Demokratie ausgehebelt, und es zeigt, wes Geistes Kind die Grünen sind, wenn es um realpolitische Entscheidungen geht. Aber auch das ist ja eigentlich nichts Neues.
HIER die BAESH-Pressemitteilung lesen
…und HIER die Geschichte der Harrisleer Einlagerungsdiskussion seit 2016 nachlesen, wie ich sie bei den Flensburger LINKEN dokumentiert habe
Ein Kommentar zu „Albrecht macht’s wie Habeck…“