Neujahrsgedanken: Zu viel ist (noch) nicht besser geworden!

Und genau deswegen bietet mein Text nur begrenzt Hoffnungsvolles fürs neue Jahr 2022

Am Jahreswechsel vor einem Jahr ließ es sich noch sehr einfach (und mit Überzeugung!) sagen: „2021 muss besser werden“… Gerade hatte sich die erste ernsthafte Corona-Welle zu ungeahnten Höhen aufgebaut und in kurzer Zeit viele Opfer gefordert. Der neu entwickelte Impfstoff wurde erst ab den letzten Dezembertagen nach und nach an Ältere und Risikogruppen mit Vorerkrankungen verabreicht. Es gab noch Lockdowns und Verbote, von denen einige vielen Menschen nicht ganz einleuchtend waren, aber die Angst vor dem noch recht unbekannten Virus ließ viele kleinlaut den Regeln folgen…

Die Corona-Politik: Ein „Booster“ für den Neoliberalismus

Damals vor einem Jahr hatte die regierende Politik nur ansatzweise den Überblick über mögliche Folgen ihrer Maßnahmen im Blick. In den ersten Monaten des Jahres 2021 wurde jedoch klar, dass sie teils ideenlos, teils vorsätzlich nach dem alten neoliberalen Schema handelte: Milliardenschwere Hilfsprogramme für die Wirtschaft, von denen der „kleine“ Einzelhandel jedoch oft nicht profitieren konnte – und bestenfalls ein paar finanzielle Brosamen für den großen Teil der vielen Menschen mit zu geringen Einkommen und Renten. Gewerkschaften und Linke moserten ein bisschen und forderten mehr, aber letztendlich folgten sie den Vorgaben im Bund und in den Ländern…

2021 wurde nichts besser – aber für viele wurde vieles teurer und belastender. Den eigentlichen „Kampf“ gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Wirtschaftskrise haben nicht die Regierungspolitik oder die Konzernvorstände geführt, sondern es sind die Millionen, die den tagtäglichen Kampf ums finanzielle Überleben kämpfen, auch von denen, die in der Pflege, im Handel, in Gastronomie und Hotellerie, in der explodierenden Zustellung von Online-Bestellungen oder in der Kultur tätig sind. Einige haben aufgegeben, andere mussten aufgeben, und nicht wenige leiden unter den seelischen Folgen.

Ampel“-Regierung startet schwach und ohne Wechselstimmung im Land

Ach ja, dann haben wir ja auch eine neue Bundesregierung…. Dass die Sehnsucht nach einem deutlichen Politikwechsel bei den Wahlen im September nicht wirklich übergroß war, zeigen die eher mäßigen Wahlergebnisse der jetzigen Koalitionsparteien. Ihre demokratischen Konkurrenten CDU und Linkspartei hatten aus sehr verschiedenen, aber teils gewichtigen Gründen aber noch weniger einen Fuß auf den Boden bekommen…

Dass „Merkel weg“ musste, hatte die Ex-Kanzlerin bereits frühzeitig selbst erkannt, ihre Partei und diverse Nachfolgekandidat*innen haben allerdings ihre Wahlchancen in nur wenigen Monaten so sehr verbockt, dass sich einige (nicht nur Konservative!) Angela Merkel nahezu zurückwünschten! – Wie wenig Wechselstimmung es gegeben hat, zeigt die große Skepsis gegenüber der neuen „Ampel“-Regierung: Die grüne (?) Außenministerin Baerbock pustet nahezu täglich Nato-Propaganda heraus, der neue Super(?)-Minister und Vizekanzler Habeck (irgendwie auch „grün“) wirkt „leicht überfordert“ und kann sich nur schwer von seiner smarten Philosophen-Rolle trennen…

…ja, und der neue Kanzler Scholz phraselt genau so dröge und nichtssagend wie im Wahlkampf oder auf diversen SPD-Parteitagen herum. „Aufbruch“, „Respekt“ oder „gigantische Herausforderungen“ – das will so eigentlich niemand (mehr) hören, wenn nicht auch sofort ein verständliches und konkretes Handlungsprogramm vermittelt wird! – Des Kanzlers erste Neujahrsansprache war so leblos und oberflächlich, sein Auftreten so schwach, dass man sich sorgen musste, er würde gleich nach hinten umkippen. Irgendwie fast schade, dass sie in der Fernsehregie nicht wieder mal die Sendebänder vertauscht und eine Merkel-Rede von vor ein oder zwei Jahren gesendet haben… Es steht nicht besonders gut um die Republik, wenn man solche Vergleiche ziehen muss!

Die EU ist schon länger keine positive Vision mehr

Auch anderswo wurde vieles nicht besser: Wer immer noch der Vision einer europäischen Idee oder gar einer progressiven, an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Europäischen Union (EU) folgt, muss – wie andere auch – mit Grausen ansehen, dass die Abschottung der EU gegen eine teils akut zunehmende, teils sich verstetigende Migration aus den von der EU mit angeheizten Krisenregionen im Nahen und Mittleren Osten oder in Afrika immer grotesker und menschenfeindlicher wird, nicht nur an der polnisch-weißrussischen Grenze, sondern weiterhin auch rund ums gesamte Mittelmeer.

Wie sehr die EU nur eine wirtschaftliche Blockgemeinschaft und ein vermeintliches, auch militärisches Bollwerk gegen Russland ist, lässt sich allenthalben beobachten. Ausgerechnet späte Beitrittsländer wie Ungarn, Polen, Slowenien oder die Slowakei mit ihren rechten und ultrarechten Regierungen scheren sich nicht mehr um demokratische Spielregeln und kassieren nur noch EU-Fördergelder ab. Als militärstrategischer Puffer gegen „den bösen Russen“ erfüllen sie in EU und Nato jedoch offenbar eine zentrale Aufgabe zur Sicherung der westeuropäischen Kernländer, und so werden diese Länder gehätschelt und weitestgehend in Ruhe gelassen. Die rechten Nationalisten freut‘s…

Der Feind im Osten“ und das Scheitern des Westens

Apropos Russland: Die westliche Diplomatie nebst ihren militärischen Strukturen in Nato und Diskussionszirkeln orakelt und warnt vor einem russischen Angriff auf die Ukraine. Im nun vergangenen Dezember sollte es schon passieren. Doch der herbeigeredete Krieg fand seitens des Kreml nicht statt… Nun wird der aktuelle Januar herbeiorakelt, und die Propagandamaschine tönt in immer schrillerem Diskant. Oder wird‘s vielleicht März oder Juni…? Egal, die vergiftete Botschaft hat sich durch die Medien schon längst in weiten Bevölkerungskreisen festgebissen – bis in die linke und alternative Szene hinein. Von einer Friedensbewegung ist nicht viel zu hören oder zu sehen – da wird dann auch ein kleiner Ostermarsch im Frühjahr nicht viel bringen…

Jedes Jahr fallen übrigens hunderte Zivilisten tausenden von USA-Drohnenangriffen in Syrien, dem Irak oder im Mittleren Osten zum Opfer. Diese Nachricht wurde im Westen bestenfalls zur Kenntnis genommen, vernehmbare Proteste gab es nicht zu lesen oder zu sehen… Türkische Annexionen in Nordsyrien – oder die wiederholten israelischen Angriffe auf Syrien: Diese und andere Aggressionen schaffen es meist nicht einmal in die TV-Nachrichten oder in den Politik-Bereich der Tageszeitungen… Gar nichts ist besser geworden!

Weltpolitisch haben USA und EU – wohl zu Recht – schon längst ihre Rolle der Hoffnung auf anderen Kontinenten verloren. Ihre nahezu kolonialistische Strategie, die den Knebel an die teils noch schwachen Volkswirtschaften Afrikas oder Süd- und Mittelamerikas legt, und der aktuelle Impfstoff-Egoismus des Westens haben schon längst andere Akteure wie China, Russland, Indien oder Kuba die Initiative auf diesen Kontinenten ergreifen lassen – teils auch aus eigenen Interessen, aber nicht ohne Erfolg. Junge Leute aus Afrika studieren jetzt in China oder werden von dort gefördert. Die lebensgefährliche (und teure!) Flucht anderer Menschen aus den Mittelschichten einiger afrikanischer Länder in Richtung Westeuropa ist schon lange nicht mehr alternativlos.

Wo bleibt „das Gute“…?

Ja, manches ist auch positiv einzuordnen, an der schwierigen Gesamtsituation ändert das aber oft nur bedingt etwas. – Aber hier mal ein paar Beispiele: In Chile und Bolivien sind wieder linke Mehrheiten zustande gekommen (aber: Können sie sich gegen die aggressive Machtpolitik von USA und Nato halten?). Das letzte schleswig-holsteinische Kernkraftwerk in Brokdorf ist vor wenigen Stunden vom Netz gegangen (aber: Will der grüne Umweltminister die schwach radioaktiven Abfälle aus dem AKW-Abriss wirklich immer noch auf Mülldeponien verteilen?)

Der Mindestlohn soll durch die „Ampel“-Regierung bald (?) auf 12 Euro steigen (aber: Eine Garantie gegen Armut ist dieser Betrag schon lange nicht mehr!) – und das zu Recht verhasste „Hartz IV“ soll durch ein neues „Bürgergeld“ ersetzt werden (aber warum wird dazu nichts Konkretes veröffentlicht, damit sich der Eindruck vom Etikettenschwindel nicht noch länger aufdrängt?). Die Flensburger Linksfraktion hat einen Antrag durchgebracht, in dem das Sozial-Monatsticket mehr als 50 Prozent billiger ist als die normale Monatskarte (aber weiter wollen die anderen Fraktionen wohl nicht gehen; dabei sind die Fahrpreise für viele immer noch zu hoch!).

Also, irgendwie ist immer „ein Haken dabei“… Deswegen dürfte es für 2022 wichtig sein, die eigene Energie darauf zu verwenden, vor lauter problematischen Zuständen die Übersicht nicht zu verlieren und machbare Perspektiven im Blick zu behalten. – 2021 ist nicht besser geworden, und 2022 wird es vielleicht auch nicht. Diese nicht gänzlich unbegründete Befürchtung darf uns aber nicht mutlos oder gar gleichgültig werden lassen… Also weiter, auch 2022 – „trotz alledem“!

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