„Frau Oberbürgermeisterin, lassen Sie die Finger von 2G!“

Ein Zwischenruf von Herman U. Soldan-Parima, sozial- und gesundheitspolitischer Sprecher der Flensburger Ratsfraktion DIE LINKE, zum Umgang mit aktuellen Pandemie-Entwicklungen in Flensburg

Am letzten Donnerstag hat Oberbürgermeisterin Simone Lange bei einer Pressekonferenz versucht, die Zügel für einen entschlosseneren Umgang mit der sich seit kurzem wieder heftig zuspitzenden Corona-Pandemie anzuziehen. In Bezug auf die schon bekannten und praktizierten Regeln „Abstand halten, Maske tragen, Kontakte begrenzen“ ist das richtig und auch geboten.

Die Oberbürgermeisterin hat aber auch die teilweise Anwendung einer 2G-Regelung (also nur für Geimpfte und Genesene) in Erwägung gezogen und als „geboten“ erachtet. Dafür hat sie allerdings die Zügel nicht in der Hand – glücklicherweise, wie ich meine. So etwas könnte nur auf Landesebene beschlossen werden, und hier gilt seitens der Landesregierung weiterhin das Bekenntnis zur 3G-Regel (also auch für Getestete).

Neben Eingriffen und Einschränkungen, die bisher zumeist „Alle“ trafen und die für manche schon schwer genug zu ertragen waren, wäre eine 2G-Regelung in Teilen des öffentlichen Lebens eine politische Entscheidung, deren Tragweite weit über die Eindämmung des Infektionsgeschehens hinausgehen würde.

Derzeit sind rund 20 Prozent der Über-18-Jährigen, etwa die Hälfte der 12- bis 17-Jährigen und nahezu alle Kinder ungeimpft – zusammengenommen also knapp ein Drittel der Bevölkerung (auch in Flensburg). – Wer jetzt einen Teil-Ausschluss der erwachsenen Ungeimpften aus dem öffentlichen Leben in Betracht zieht, begibt sich und die Gesellschaft in eine gefährliche Situation.

Höchstwahrscheinlich würden die erwähnten 20 Prozent der Erwachsenen bei einer 2G-Regel ebenso wenig sofort für eine Impfung Schlange stehen, wie sie es auch nicht nach Beendigung der kostenfreien Tests getan haben. Oft wird so getan, als ob die völlige Durchimpfung (Simone Lange: „Impfen ist ein Muss“) die Pandemie stoppen könnte – oder womöglich, als ob es sich bei allen Ungeimpften um radikale Verweiger*innen handeln würde.

Die Wirklichkeit ist etwas vielschichtiger: Es gibt noch immer Unwissenheit über Impfungen und Impfmöglichkeiten, denn viele Impfaktionen sind den Leuten oft gar nicht bekannt. – Aber wenn Impfen „ein Muss“ ist: Warum, Frau Lange, erwägen Sie nicht den Einsatz von zwei bis drei Impf-Bussen, die über längere Zeit jeweils für mehrere Tage an zentralen Orten in den Stadtteilen stehen – und somit weder zu übersehen noch zu verpassen sind? Bei aufsuchenden Impfaktionen ist noch viel Luft nach oben!

Und es gibt noch viele Menschen, die Skepsis zeigen. Das ist mal mehr, mal weniger nachvollziehbar, sollte aber nicht automatisch als Verweigerung ausgelegt werden. Permanente Impf-Busstationen könnten auch hier in Sachen Aufklärung dienlich sein. Es geht also um eine weitaus höhere Präsenz von eindämmenden Maßnahmen – und nicht um den Ausschluss von Menschen, die wir viel mehr ermutigen sollten.

2G alleine – ohne die oben genannten Anstrengungen – wäre allerdings ein weiterer Schritt zum Ausschluss vieler Menschen. Oft haben sie so etwas bereits aufgrund ihrer sozialen Situation erfahren, die sich durch zu niedrige Einkommen, zu hohe Mieten, zu hohe Energie- und Verbraucherpreise auch jetzt immer weiter verschärft. Armut, Angst und Frust haben viel zu viele Menschen bereits an den Rand gedrängt und mit ihren Sorgen alleingelassen.

Als Konsequenz daraus sehen wir auch den Ausschluss von demokratischen Prozessen (Wahlen, öffentliche Beteiligung usw.), der sich durch die Kommunalpolitik schon lange nicht mehr mit Strategiepapieren und Hauruck-Aktionen beseitigen lässt. – Wer jetzt mit 2G herumjongliert, riskiert ein weiteres Ausschluss-Kriterium, das der bereits stark angeschlagenen Gesellschaft noch mehr schadet. Genau das muss eine verantwortliche Kommunalpolitik nebst Oberbürgermeisterin aber auf jeden Fall vermeiden – und nicht durch spekulative Äußerungen Unsicherheit säen!

Frau Oberbürgermeisterin Lange, lassen Sie bitte die Finger von 2G! – Es ist gut, dass auch Sie kostenlose Corona-PCR-Tests als notwendig ansehen. Setzen Sie sich also lieber stärker dafür ein, damit sie wieder kostenlos werden. Dass die Zahl der Testungen in Flensburg nach dem Ende kostenfreier Tests vor einem Monat um 90 Prozent gesunken ist, wie die Sozialdezernentin mitteilte, ist besorgniserregend und kontraproduktiv!

Kostenlose Tests, wie sie die Stadt auch den Ratsmitgliedern vor einer Ratsversammlung ermöglichen will, sind jetzt notwendiger denn je – um den Pandemieverlauf einzudämmen und um Ungeimpften die Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Wir brauchen die Menschen unserer Stadt, um sie an der Bekämpfung der Pandemie zu beteiligen – und nicht, um sie vor die Tür zu setzen!

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