Das „Jobticket“ ist ein wichtiger Schritt…

Aber nun müssen weitere verkehrs- und klimapolitische Beschlüsse für den öffentlichen Nahverkehr folgen. – Mein Kommentar zur Einführung eines „Jobtickets“ in der Flensburger Region.

Der Autoverkehr ist in Flensburg ein wachsender Faktor für die CO2-Belastung – und ist daher auch eine wichtige Stellschraube für die Schadstoff-Reduktion und die Erreichung der Klimaziele. Hierbei reicht es jedoch nicht, nur die Einwohner*innen der Stadt in die Pflicht zu nehmen (oder wie manche es ausdrücken: „…ihnen das Autofahren zu vermiesen“).

Denn: Wenn der Stadtbusverkehr nicht dichter, flexibler und preiswerter wird, werden viele Flensburger*innen auch weiterhin ins Auto steigen – und auch immer neue Erst-und Zweitwagen kaufen. Straßensperrungen nutzen da nicht viel, sie verlagern lediglich die PKW-Routen in der Stadt. Am hohen PKW-Verkehr ändern auch neue CO2-freie Antriebsformen, die noch lange nicht mehrheitstauglich sind, nichts.

Ein erheblicher Faktor für die Autodichte sind die rund 21.000 einpendelnden Beschäftigten aus dem näheren und weiteren Umland (nur etwa die Hälfte pendelt aus Flensburg heraus). Die meisten von ihnen sind mit dem Auto unterwegs. Rechnet man einige Fahrgemeinschaften mit ein, dürften es bis zu 10.000 PKWs sein, die werktäglich in die Stadt kommen, während „nur“ rund 4.000 Autos aus Flensburg herausfahren.

Das „Jobticket“ kann den Berufs- und Pendelverkehr reduzieren

Für diesen Teil des Flensburger Autoverkehrs gibt es nun das neue „Jobticket“, das für Monatskarten eine Ersparnis von 25-50 Euro bringt. Für viele Pendler*innen bedeutet dies eine erhebliche Ersparnis – vorausgesetzt dass das Unternehmen mindestens 5 Beschäftigte findet, die dieses Angebot annehmen und (vom Unternehmen mit 15 oder 30 Euro sowie einer Prämie des Landes von 10 bzw. 20 Euro bezuschusst) auf Regional- und Stadtbusse umsteigen.

Für viele kostet die Monatskarte dann nur noch die Hälfte – oder sogar nur wenige Euro (je nach Zuschusshöhe und Fahrstrecke). Das ist ein sehr gutes Angebot, das weitaus kostensparender ist als das Autofahren und womöglich auch noch das Langzeitparken. – Wer wirklich für eine Verkehrs- und Klimawende ist, sollte dieses Angebot unbedingt nutzen und damit die Flensburger Straßen, die Umwelt – und natürlich auch den eigenen Geldbeutel schonen.

Ein paar Fragen bleiben jedoch offen: Machen wirklich alle Unternehmen mit – oder zieht die Freiwilligkeit sowie das Minimum von 5 Beschäftigten nicht ausreichend? Hier sind die Unternehmensverbände gefordert, die ihre Unternehmen für ein sinnvolles Klimaprojekt in die Pflicht nehmen müssen, um ihren Teil der Klimaverantwortung einzulösen.

Nicht nur der Regional-, sondern auch der Stadtbus-Verkehr muss gestärkt werden

Und: Im Flensburger Umland wird es im Regionalverkehr ab dem Sommer erhebliche Verbesserungen geben, z.B. deutliche Taktverdichtungen auf einigen Linien (auch nach Flensburg) und die Anbindung des Flensburger Bahnhofs an das Netz. Dies sind positive Signale für viele Menschen, die nach Flensburg fahren wollen oder müssen, aber auch für die Pendler*innen ins Umland. – Aber: Ist die Flensburger „Aktiv-Bus“ mit ihren Stadtbussen für zu erwartende, höhere Passagierzahlen ausreichend gerüstet? Schon in der Sozialticket-Debatte wurde auf zu wenig Fahrzeuge und zu wenig Fahrpersonal verwiesen.

Soziale und klimabezogene Verbesserungen des öffentlichen Nahverkehrs stoßen hier wie anderswo immer wieder an die Kostengrenze, wenn die öffentliche Hand nicht – wie beim neuen „Jobticket“ – sinnvollerweise eine ordentliche Schippe drauflegen kann oder will. Flensburg ist wie andere Kommunen durch eine jahrzehntelange nationale Politik kräftig „heruntergespart“ worden und der Schuldenstand ist (jetzt noch durch die Pandemie verstärkt) immens hoch.

Kurz gesagt: „Geld her!“ – sonst klappt‘s weder mit mehr Bussen noch mit mehr Fahrpersonal noch mit neuen Verkehrskonzepten (wie z.B. Stadtteilbussen) noch mit sozial verträglichen und attraktiven Fahrpreisen noch mit besseren Fahrplänen oder einem dichteren Takt (z.B. auf den Hauptstrecken von 10 auf 5 Minuten)…! Und: Das alles darf nicht mehr jahrelang aufgeschoben werden, wenn es mit der klimabedingten Reduzierung des Autoverkehrs in der Stadt klappen soll.

Für eine erfolgreiche und soziale Verkehrswende muss noch mehr drin sein

Und ach ja: Das „Jobticket“ kann zu einem wichtigen Klimafaktor werden und viele tausend Beschäftigte entlasten. – Nun sollte allerdings auch nicht gezögert werden, all denen, die zu wenig Geld in der Tasche haben und sich Busfahren zum jetzigen Tarif gar nicht leisten können, ein ähnlich attraktives Angebot zu machen, nämlich das Sozialticket zum halben Preis für alle Fahrscheintypen, wie es die Flensburger Linksfraktion schon vor einem knappen Jahr beantragt hat. Die Flensburger Politik hat dabei ein gewichtiges Wort mitzureden und kann den Weg dafür freigeben.

Und wer dann in der Kommunalpolitik hoffentlich immer noch Klimaschutz-Ambitionen hat, kann und sollte danach das 365-Euro-Jahresticket für alle Flensburger*innen ansteuern – und etwas später den städtischen Busverkehr kostenlos machen, wie DIE LINKE es will (einige Städte machen das bereits vor!). Das wäre doch mal eine echte verkehrs- und klimapolitische Perspektive, die die CO2-Belastung durch den Autoverkehr in absehbarer Zeit senken und den Busverkehr für alle attraktiv und möglich machen kann. Die Politik muss sich nur zusammenreißen – und das nicht nur „wollen“, sondern auch machen!

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