
DDR-Identität (1) – Die Theorie…
(1) Neues Deutschland / nd (Berlin, 17.04.2021): Leerstelle DDR
Viel sollte und durfte von der DDR nach 1990 nicht übrigbleiben. Dafür sorgte schon die westdeutsch dominierte Erzählkultur, die Helden à la Leipzig schuf, den Fokus stramm auf Stasi und Politbüro-Luxus lenkte und den verschwundenen Alltag zwischen Kombinaten, Kinderkrippen und Konsumgaststätten zur „Ostalgie“ verklärte. Auch der neuere Erklär-Versuch einer „Ostidentität“ blendet vieles aus: „Sozialismus als positive Sinnstiftung ist auch in der Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts nicht denkbar. Der Umgang mit dem sozialistischen deutschen Staat in der Berliner Republik schwankt seit jeher zwischen Dämonisierung, Lächerlichmachung, Auslöschung und Restauration. Deshalb steht die Debatte um Ostidentität mit ihrer Elimination der DDR ganz in der Tradition der bundesrepublikanischen Gedenkpolitik“, heißt es in diesem Artikel. – So „gelingt“ ein weiterer Versuch, die DDR zur unheimlichen Quasi-Fiktion zu verklären, als hätte es sie eigentlich nie gegeben bzw. gar nicht geben dürfen… – (HUS)
DDR-Identität (2) – Ein schwer zerbrechliches Praxisbeispiel…
(2) Umschau (MDR, Leipzig, 13.04.2021): Superfest-Glas: Warum die DDR-Erfindung abgewickelt wurde (mit Video, 6 Min.)
Wer sich in der DDR in einen gastronomischen Betrieb begab, um den Durst zu stillen, bekam in den 1980er Jahren die Fruchtlimonade oder das Pils fast immer im Standard-„Superfestglas“ aus dem VEB Sachsenglas Schwepnitz (in verschiedenen Füllgrößen) serviert. Auf den ersten (viel zu oft) oberflächlichen Blick sah das nach realsozialistischer Gleichmacherei aus, doch dahinter verbarg sich eine Produktentwicklung, die nach dem Ende der DDR sofort wieder „abgewickelt“ wurde: Das „Superfestglas“ hielt wesentlich länger und trug damit zu einer positiveren, materialökonomischen Bilanz bei. Entwickelt wurde es mit Hilfe einer Ionenverbindung, die das Glas festigte, so dass es beim Herunterfallen oft „sprang statt zersprang“, wie es in diesem TV-Beitrag der MDR-Umschau heißt – im Berliner Institut für chemische Technologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. – Diese Errungenschaft mit Weltniveau war der kapitalistischen Nachwende-Ökonomie nichts wert, nach dem Motto: Warum Material sparen? Das haben wir im Kapitalismus nicht nötig… Für das DDR-Patent interessiert sich auch bis heute niemand. Ressourcen (und Geld) sparen, Materialökonomie oder praktische Recycling-Investitionen spielen im kapitalistischen Alltag eine eher untergeordnete Rolle. Und so wird eine sinnvolle DDR-Entwicklung zur belächelten „Ostalgie“, wie manch Anderes auch… – (HUS)