Eine erste Einschätzung der Situation nach der USA-Wahl und möglicher weltweiter Folgen

Ja – „es“ scheint vorbei zu sein. Auch wenn noch kein offizielles Endresultat der USA-Wahl vorliegt, ist Trump wohl abgewählt worden. Das dürfte dem Land und der Welt – und insbesondere den Ländern auf den amerikanischen Kontinenten – gut tun. Offener Hass, offene rassistische und sexistische Hetze sowie schamlos immer wiederholte Lügen aus dem Weißen Haus und der rechts-nationalistischen Machtclique haben jetzt wohl per demokratischer Wahl eine Abfuhr erteilt bekommen. – Möge dies in Brasilien und anderswo ebenfalls gelingen!
Die Abwahl Trumps freut mich für die vielen Millionen USA-Bürger*innen, die vor vier Jahren fassungslos mit ansehen mussten, wie ihr Land von einem Extremisten übernommen wurde und der alle Befürchtungen bis zum heutigen Tag bestätigt hat. Es freut mich für sie, dass nun eine Chance auf Beruhigung, mehr Vernunft und Logik besteht – und damit auch auf Gleichstellung sowie auf Akzeptanz aller kulturell-ethnischen Bevölkerungsgruppen. Und: Möge nun auch die Leugnung und Ignoranz gegenüber der Corona-Epidemie zu Ende sein! – Zunächst scheint es, als ob liberal-demokratische Haltungen und etwas Vernunft über Nationalismus, Extremismus und miese Propaganda obsiegt haben.
In den Medien herrscht nach unerwartetem Zittern und Bangen nun plötzlich Freudenstimmung: Noch nie hätten so viele Menschen einen Kandidaten der Demokratischen Partei gewählt, verkünden sie im Stundentakt zum äußerst knappen Wahlsieg von Joe Biden und seiner Vize Kamala Harris… Das mag richtig sein, aber auch 2016 haben nicht so viele Menschen für Trump gestimmt wie jetzt. Diesmal waren es sogar etwa 8 Millionen mehr, die Trump gewählt haben – aus welchen teils verwerflichen Motiven auch immer! Die Gefahr reaktionärer Gewalt ist keineswegs gebannt.
Und was wird in der Welt passieren, wenn die USA jetzt von Biden/Harris regiert werden? Wird die Welt deswegen friedlich und sicher werden? – Wird die völkerrechtswidrige Blockade Kubas aufhören? Wird die seit Jahrzehnten dauernde, brutale Regime-Change-Politik der USA-Administrationen im Nahen Osten, in Nordafrika oder erst recht in Südamerika aufhören? Wird der widerliche Drohnenkrieg im Mittleren Osten, der von Ex-Präsident Obama (seines Namens Friedensnobelpreisträger!) perfektioniert wurde, jetzt gestoppt? – Oder wird nun die militarisierte Außenpolitik der USA und ihrer Verbündeten und die jährlich 1000 Milliarden verschlingende Aufrüstung von USA und Nato ein Ende finden?
Die Antwort lautet wohl „Nein“! – Die wirtschaftlich-militärische Dominanzpolitik von USA und Nato-Staaten – insbesondere in den vielen Teilen der Welt, wo sie nichts zu suchen haben – dürfte weitergehen, auf Kosten vieler weiterer Menschenleben, auf Kosten des Klimas und der Menschenrechte. Der von Trump aggressiv überhöhte Neoliberalismus wird nun (wie vorher auch) wieder etwas stiller und „diplomatischer“ daherkommen. Die Verbündeten in Berlin, Kopenhagen, Paris oder sonstwo wird‘s freuen…
Die USA sind ein Land, das von einer erzkonservativen und einer (bestenfalls) rechts-sozialdemokratischen Partei geprägt ist – und in dem zugunsten der eigenen individuellen Freiheitsmythen die dringend notwendige soziale Komponente ein kümmerliches Dasein fristet. Das gilt nach innen wie nach außen. Eine grundlegende politische Erneuerung der USA wird also eine Illusion bleiben, ähnlich wie bei Obama auch.
Die USA waren und sind kein Vorbild für eine bessere, sozial gerechtere Welt – und schon gar kein „natürlicher Verbündeter“ für die Menschen in Europa, weder politisch, wirtschaftlich noch (alltags)kulturell. Wer nun in der aktuellen Situation einen Neuanfang will, sollte eine Emanzipation von der US-amerikanischen Dominanz in Politik und Alltag nicht zum Tabu erklären. – Hoffentlich haben sich einige, die jetzt (auch im eher „linken“ Spektrum) viel spontane Freude und sogar Begeisterung versprühen, nicht zu früh gefreut…
Ein Kommentar zu „USA: Besser ist noch lange nicht gut…“