Sozialticket: Mit spitzen Fingern…

…fassen die Flensburger Printmedien, aber auch mögliche politische Bündnispartner den Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE auf Einführung eines Sozialtickets für den städtischen Nahverkehr an. – Eine Methode des „Ausbremsens“, das ein deutliches politisches Signal der Dringlichkeit dieser Maßnahme verhindert.

Es wäre eine Zeitungsmeldung wert gewesen, dass die Ratsfraktion DIE LINKE einen Antrag auf Einführung eines Sozialtickets in den Flensburger Rat eingebracht hat. Schließlich könnten mehr als 20.000 Menschen eine solche Vergünstigung in Anspruch nehmen – und wegen der Corona-Krise womöglich bald fast doppelt so viele… Doch die Redaktionen trauten sich an eine Erwähnung in ihren Printmedien nicht ’ran. – Und als der Antrag vorgestern im Sozialausschuss beraten wurde, war es ähnlich: Es gab Lob von SSW, SPD und Grünen für die Qualität des Antrages und auch Einigkeit im Ziel, ein Sozialticket einzuführen, aber zustimmen und damit eine deutliche Mehrheit für ein politisches Signal schaffen, das wollten sie dann doch nicht… – Mehr dazu in meinem Bericht aus dem Ausschuss:

Die „Angst“ vor dem Sozialticket – in wirtschaftlich schwierigen Zeiten…
(Bericht aus dem Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 22.06.2020)

Es war schon fast etwas grotesk, wie gestern im Sozial- und Gesundheitsausschuss (SuG) unser Antrag für ein Sozialticket im Nahverkehr behandelt wurde. Zunächst stellte Herman für die Ratsfraktion DIE LINKE den Antrag vor und bat um Unterstützung für diese wichtige Neuerung (siehe unsere Pressemitteilung von vor wenigen Tagen: https://fraktion-die-linke-flensburg.de/pressemitteilung-einfuehrung-sozialticket/). Zustimmung wäre am ehesten von SPD und Grünen denkbar gewesen, eventuell auch vom SSW – doch es kam anders:

Es gab zwar (auch schon vor der SuG-Sitzung) lobende Worte für den Antrag; auch der SSW-Ausschussvorsitzende Edgar Möller betonte dies ausdrücklich, und auch generell für das Ziel der Einführung eines Sozialtickets – zustimmen wollten sie dem Antrag aber trotzdem nicht… Stattdessen verwiesen sie u.a. auf den Strategieprozess des Nahverkehrsanbieters Aktiv-Bus, in dem eine Erörterung dieses Themas stattfinden solle (Anmerkung: Dieser Prozess hat noch nicht einmal richtig begonnen!). Dies solle, so hieß es aus den drei Fraktionen, abgewartet und begleitet werden. – Einen „kräftigen Impuls der Flensburger Politik“, wie Herman den LINKE-Antrag nannte, waren die drei Parteien nicht bereit zu setzen. Die anderen Parteien äußerten sich gar nicht zu der Vorlage…

Da eine Zustimmung zum Antrag nicht in Sicht war, zog Herman ihn von der Tagesordnung zurück. Bei der anschließenden Sitzung der Linksfraktion wurde diese Situation erörtert und es wurde einmütig festgestellt, dass der Rückzug des Antrages auch die Chance eröffnet, ihn und das Thema für einen späteren Einsatz „im Spiel zu halten“. – Danach schätzte Herman die Situation im SuG so ein: „Es war eine Art Vogel-Strauß-Politik, die die Vertreter*înnen der anderen Parteien da veranstaltet haben. Zum einen weil es wohl nicht ihr Antrag war, zum anderen weil durch die Zögerlichkeit eine Chance zur politischen Gestaltung, auch um das Tempo zu erhöhen, verspielt wurde. Bei einem so wichtigen Thema, das nicht auf die lange Bank geschoben werden sollte, ist das Sich-Verstecken hinter einem Prozess, der noch in den Kinderschuhen steckt, etwas schlafmützig. Eine mögliche Mehrheit für einen wichtigen Impuls der Politik wurde damit vertan”.

Wie schnell eine Sozialticket-Lösung eigentlich greifen sollte, zeigen die etwa 20.000 potenziell Berechtigten schon vor der Corona-Zeit… Durch Kurzarbeit und neue Arbeitslosigkeit könnten fast ebenso viele Flensburger*innen hinzukommen, denen corona-bedingt durch Verlust der Arbeit wichtige Einkünfte wegbrechen. Dann gäbe es nahezu 40 Prozent aller Flensburger*innen, die Anspruch auf ein Sozialticket hätten.

Im SuG kamen auch die Arbeitsagentur und das Jobcenter zu Wort, die Auskunft zur Anfrage unserer Ratsfraktion zur aktuellen Lage auf dem Flensburger Arbeitsmarkt gaben. – Demnach haben von März bis Mai 1.008 Betriebe Kurzarbeit angezeigt. Würden alle dies auch umsetzen, wären davon 16.363 Beschäftigte (37,3% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) in Flensburg betroffen. Mit einer sehr hohen Zahl und schweren Einkommenseinbußen muss also gerechnet werden. Mit 5.632 als arbeitslos Gemeldeten steigt die Quote mit fast 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr; besonders hoch ist die Zahl arbeitsloser Jugendlicher, die um 40 Prozent gestiegen ist.

Beim Jobcenter ist die Zahl der Leistungsberechtigten nach SGB II (Hartz IV) in den vergangenen Monaten um fast 5 Prozent auf 11.679 angestiegen. Da die Kurzarbeit erst in diesen Wochen endgültig erfasst wird, könnte es bald zusätzlich eine größere Zahl von Menschen geben, die „aufstocken“ müssen. – Das alles sind beunruhigende Zahlen, hinter denen sich sehr, sehr viele Einzelschicksale verbergen und die zu zusätzlichen Ausgaben der Stadt führen.

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