Auch diese Krise stellt die „soziale Frage“!

Ja, es geht zuallererst um unsere Gesundheit und um die Eindämmung des Coronavirus’. – Dazu werden derzeit staatliche Maßnahmen ergriffen, die tief in das private Leben, aber auch in die ökonomischen Lebensgrundlagen eingreifen. Vieles davon erscheint einleuchtend, manchmal sogar „alternativlos“ – anderes wird hingenommen mit der Ahnung, dass die politisch Verantwortlichen „dabei auch Fehler machen können“, wie es die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen vor einigen Tagen ausdrückte.

Doch gleichzeitig wird derzeit umso deutlicher, dass in einer solchen Lähmung der Gesellschaft fast alles immer noch „am Gelde hängt“. Es trifft kleinere Unternehmen, die eigentlich Löhne und Gewerbemieten zahlen müssen, besonders hart. Aber eben auch deren Beschäftigte – und auch diejenigen, die ohnehin schon zu wenig zum Leben haben. Und so wird die soziale Schieflage auch in der Corona-Krise deutlich:

Wenn Millionen von unterbezahlten Menschen jetzt – wenn sie „Glück“ haben – wie ihre besser bezahlten Kolleginnen und Kollegen 60 Prozent Kurzarbeitsgeld erhalten, bringt sie das immer noch an den Rand des finanziellen Ruins. Und es gibt viele (z.B. auch „Solo-Selbstständige“), die gar nichts mehr bekommen, so dass für sie wie auch viele Niedriglohnbeschäftigte der sorgenvolle Gang zum Jobcenter droht. Unbürokratische Lohnaufstockungen oder Lohnersatzleistungen sind derzeit nicht in Sicht…

Seit Jahren müssen immer mehr ältere Menschen mit zu niedrigen Renten noch zusätzlich Geld verdienen, um über die Runden zu kommen. Doch durch die derzeit großflächige Schließung von Erwerbsmöglichkeiten wird ihnen der notwendige Zuverdienst bitter fehlen. – Auch viele Familien (besonders Alleinverdienende) kommen wohl bald in die Klemme – und dabei geht es dann wohl weniger um die Betreuung ihrer Kinder. Bei gestutzten und wegfallenden Einkommen stellt sich auch für sie die Frage, wie Miete, laufende Kosten und die notwendigen Alltagsausgaben auf Sicht eigentlich noch bezahlt werden sollen…

Dies sind nur wenige Beispiele für bittere Eingriffe in die private Lebenssituation, aber sie treffen weite Teile der Bevölkerung. – Und dafür müssen schnell Lösungen her, damit die Corona-Krise nicht zu einer umfassenden materiellen Krise für Millionen wird! Um das Schlimmste auch langfristig zu verhindern, müssen jetzt unumgängliche Umverteilungen her, denn die „Sache“ wird vorhersehbar recht teuer werden, weil vieles nun mal „am Gelde hängt“!

Solidarität ist jetzt nicht mehr nur in der Nachbarschaft angesagt. Viele nötiger ist jetzt die Solidarität der Reichen und Reichsten, die sich bei dieser Krise auch nicht mehr aus dem Staube machen können, mit der Gesellschaft. – Was bisher nur eine linke Outsider-Forderung war, sollte jetzt von den politischen Mehrheiten zumindest als „Einsicht in die Notwendigkeit“ aufgegriffen werden: Eine umfassende Vermögens-, Erbschafts- und Kapitalertragssteuer, die den vielen materiell nun noch stärker gefährdeten Menschen, aber auch kleinen Unternehmen zugute kommen kann! Eine solche soziale Umverteilung steht ohnehin schon lange an…

Darüber hinaus sollten unnötige Ausgaben auf allen politischen Ebenen in die soziale Grundversorgung umverteilt werden. – Und dass sich ein Teil des Militärbudgets jetzt auch erübrigen kann, sollte nicht länger außer Frage stehen… Es gibt also einiges zu tun und sozial umzuverteilen, und zwar sehr schnell, bitteschön!!!

8 Kommentare zu „Auch diese Krise stellt die „soziale Frage“!

  1. Sehr richtig, lieber Herman. Ich fürchte nur, dass der Klimaschutz hinten runter fällt, wenn man nach Corona die Trümmer wegräumt. Es wäre nicht das erste Mal, dass „Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte Luxus sind, den man sich gerade jetzt nicht leisten kann“.

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    1. Danke, lieber Jochen… Du rührst schon an einem meiner nächsten Schreibprojekte, das unter dem Arbeitstiel „War da noch ‚was…?“ in Mache ist. Mal sehen, was daraus wird… – Ja, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Flucht(ursachen), Frieden & Konfliktlösung oder Welthandel sind einige wichtige Bereiche, die jetzt aus dem Blickfeld und auch aus den Medien rutschen – das ist unverantwortlich!!!

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  2. 500 Mrd. US-Dollar will Trump im Gießkannenprinzip übers Land ausschütten. Das ist schon ziemlich nahe dran am Bedingungslosen Grundeinkommen. Und das in den USA. Wer hätte das gedacht?
    Wenn es durch Corona wirklich ganz übel wird und die Wirtschaft kollabiert, wird es vielleicht auch für Europa Zeit, über ein wie immer im Detail auch ausgeartetes BGE-Programm nachzudenken. Es ist schon fast ein wenig zynisch, aber die Chancen für einen breiten Stimmungswechsel in dieser Frage steigen gerade.

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    1. Tja, man glaubt es nicht, was einigen „Marktwirtschaftler*innen“ derzeit alles so einfällt… Vor einer Woche hätten sie das noch als puren Sozialismus hingestellt…!!! Doch sei’s drum: Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Lösungen – und so muss Geld eben nicht nur in die Unternehmen – sondern auch an deren Beschäftigte verteilt werden, damit die „Bude“ weder von oben noch von unten zu brennen beginnt. – Im Sozialismus nannte man so etwas „Einsicht in die Notwendigkeit“… Und weil das alles (vermeintlich) „sehr plötzlich“ über uns hereinbricht, wird eben so einiges locker gemacht, damit diesmal nicht nur die Banken und Konzerne (die derzeit größtenteils fast handlungsunfähig sind!!!), sondern auch die Menschen dieser Gesellschaft irgendwie „gerettet“ werden… Gut so! Oder: „Rein damit, reicht nur nicht!“ – Denn diese Krise wird Spuren hinterlassen, über die von der richtigen Seite noch zu reden sein wird!
      In Richtung BGE weist aus meiner Sicht derzeit nichts. Es wird „nur“ mit viel Geld herumgewirbelt, weil viele Arbeitsprozesse ins Stocken geraten sind. – Langfristig könnte ein auskömmliches BGE jedoch nur durch funktionierende Wirtschaftsprozesse und ein daraus resultierendes stabiles Steueraufkommen (egal aus welchen Quellen) installiert und am Laufen gehalten werden. Weil aber genau das derzeit „außer Betrieb“ ist (und noch einige oder viele Monate sein wird!), wird ein BGE umso mehr ein Traum bleiben müssen.
      Abgesehen von meiner generellen Skepsis gegen ein umfängliches BGE, wird in dieser Situation zurzeit „lediglich“ das an die Menschen verteilt, was heftige Brüche der Gesellschaft verhindern soll. – Das kapitalistische Gesellschaftssystem wird dadurch in keinster Weise gerechter – und das soll es wohl auch nicht. – Wir sollten daher umso genauer darauf schauen, wer den Milliarden-Rummel, der jetzt eben mal „dran ist“, danach bezahlen soll… Denn dann wird es Entscheidungen geben, die von einem BGE weit entfernt sein dürften…

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  3. Lieber Herman, sollte die Wirtschaft in Europa flächendeckend zum Erliegen kommen, wird ein wie immer gestaltetes BGE evtl. sogar zu einer unverzichtbaren Notwendigkeit. Wenn mittlerweile weltweit von 25 Mio. zusätzlichen Arbeitslosen ausgegangen wird, müssen diese Menschen eine Überlebensperspektive haben. Da geht es dann wirklich, um Laschet zu zitieren, um Leben und Tod.

    Wenn das neue „Lumpenproletariat“ aus entlassenen Prekären, Freelancern, Freiberuflern und kleinen Selbständigen die Arbeitsämter stürmt, wird dort schlicht die Man-Power fehlen, die Schwemme abzuarbeiten. D.h., man kommt um pragmatische Lösungen gar nicht herum. Da liegt es nahe, das Gießkannenprinzip anzuwenden. Geld steht ja unbegrenzt zur Verfügung, das hat die EZB ja klargemacht. Und eine Inflationsgefahr besteht gerade nicht, da dann auch kaum noch produziert wird.

    Dass das mit einem BGE, wie es sich Linke (und einige Wirtschaftsliberale) erträumen nicht viel zu tun hat, steht außer Frage. Es wäre (zunächst einmal) eine Vereinfachung (und ggf. Bündelung) von Sozialleistungen und Lohnersatzleistungen.

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    1. Ja, lieber Jochen, die Situation für sehr viele beschäftigungslose Menschen könnte – nein, sie wird sich zuspitzen – und dafür muss (so nannte ich es gestern) mit vielen Milliarden „herumgewirbelt“ werden. Ich glaube, das wird auch in irgendeiner Form geschehen – eben auch, damit „die Bude nicht auch von unten her brennt“ (ebenfalls siehe gestern).
      Diesen Fakt kann man dann nennen, wie man will: „Übergangs-BGE“, „Langzeit-Transfer“ oder sonst noch was… Der Grund, weshalb ich diesen massenhaften Geldtransfer noch nicht einmal ansatzweise als etwas BGE-Ähnliches bezeichnen möchte, ist… 1. dass es derzeit keinen „positiven“ Systemwechsel (der es sein müsste!) unter Beteiligung aller Sozialpartner darstellt – im Gegenteil… 2. dass es eben nur zeitliche begtenzte massenhafte Lohnersatzleistungen oder Sozialhilfen sind, die noch nicht einmal systemisch gegenfinanziert sind… 3. dass all diejenigen, die z.B. derzeit (zu viel zu geringen Löhnen!) in Pflege und Infrastruktur arbeiten, davon nichts haben… 4. dass es zzt. keinerlei freiwillige Entscheidungsmöglichkeit über den Umfang eigener Lohnarbeit gibt… und 5. dass die nun anstehenden „Leistungen“ später nachfinanziert werden müssen. Hierbei steht zu befürchten, dass dies kleinere und mittlere Einkommen besonders belasten wird, „Vorbilder“ hierfür gibt es genug aus den vergangenen Jahrzehnten.
      Es ist wohl derzeit „alternativlos“, sehr viele unbeschäftigte Menschen mit milliardenschweren Transferleistungen „über Wasser zu halten“, aber genau das entspricht noch nicht mal ansatzweise dem BGE-Gedanken… Übrigens: Aus einer Krise wie der derzeitigen heraus (aber auch aus der andauernden langjährigen Krise heraus) wird es niemals einen sinnvollen BGE-Start geben können, denn dazu braucht es einen dauerhaft starken Staat und eine langfristig sichere Finanzierungsgrundlage.

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  4. Das, lieber Herman, wäre dann im ersten Schritt so etwas, was die Finnen in ihrem Modellversuch probiert haben. Linke sahen und sehen das mit Recht sehr skeptisch.
    Aber niemand geht auch davon aus, dass ein BGE ad hoc eingeführt wird. Das ist eher als Prozess zu sehen, der ggf. zig Jahre andauern kann.
    Ein erster Schritt, so sagte es vor zwei Jahren auch der Kipping-Mitarbeiter (habe den Namen vergessen), der die BGE-Veranstaltung in FL gemacht hatte, könnte z.B. die Grundrente sein. Es ist kein Zufall, dass sich CDU/ CSU so vehement für eine Bedürftigkeitsprüfung stark gemacht haben.

    Dennoch, auch immer mehr eingefleischten Konservativen dämmert es langsam, dass alternative Ansätze zur klassischen Entlohnung gegen Arbeitskraft gefunden werden müssen.

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    1. Ja, weit greifende Sozialleistungen tragen sehr schnell etwas von „Und jetzt mal für alle“… Aber ich glaube, genau hier scheiden sich die Geister… und auch am gesellschaftlichen Begriff der Arbeit. – Ist letztere das Fundament oder das Supplement für die Ökonomie des Privatlebens? – Und dann natürlich: Geben wir allen einen Basisbetrag – oder denen, die durch fehlende oder unzureichende Arbeit (und zu niedrige Renten) von materieller Teilhabe gänzlich under nahezu ausgeschlossen wären, einen Mindestbetrag?
      Ich fand, DIE LINKE war 2017 (und teils auch bis heute) auf einem guten, nachvollziehbaren Weg: Damals galt die Formel „1050 Euro“ für Mindestrenten, (sanktionsfreie!) Mindestsicherung, Bafög etc. – Über die Zahl kann man streiten – und heute wären wir wohl eher bei „1200 Euro“… Aber ich hielt die zielgerichtete Mindest-Versorgung (für die vielen Menschen, die darunter liegen) für griffig, finanzierbar und umsetzbar… und ich bin damit gerne aktiv in den Bundestagswahlkampf gezogen!!!

      Es war immer schwierig, über das BGE zu diskutieren – denn oft waren ausgerechnet diejenigen dagegen, denen selbst das Nötigste fehlte und die (auch deshalb) nicht sehen konnten, warum auch gut oder sehr gut Verdienende das (quasi noch obendrauf) erhalten sollten…….

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