
In den letzten Tagen meldeten die Medien zwei Vorfälle, die aufgrund ihrer Verbindung mit dem Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors am 27. Januar große Irritation auslösten. In beiden Fällen hatte sich jeweils ein junger Politiker öffentlich geäußert.
Zuerst war der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor (27) beim Nachrichtensender n-tv mit der Äußerung vorgeprescht, dass Antisemitismus heutzutage „vor allem in muslimisch geprägten Kulturkreisen besonders stark vertreten“ sei. – Ja, geht’s noch…? Mit dieser unbelegten Behauptung erntete er – sehr berechtigt – heftigen Widerspruch.
Als Innenexperte seiner Fraktion hätte CDU-Politiker Amthor es besser wissen müssen: In der seit 2001 erfassten Statistik des Bundesinnenministeriums zu antisemitischer Hasskriminalität macht der muslimische Anteil jährlich 5-10 Prozent aller Straftaten (2018 etwa 1.800 Fälle) aus, 80 bis 90 Prozent hingegen stammen aus der deutschen rechtsextremen Szene.
Amthor wagte sich hier mit einer im Brustton der Überzeugung vorgetragenen, unbewiesenen (und falschen!) Äußerung hervor, die zugleich das Ziel verfolgt, den alltäglichen Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung kleinzureden und die Problematik auf muslimische Menschen abzuwälzen. – Damit rückt er ausgerechnet der AfD näher, die er im Bundestag des öfteren rhetorisch scharf angegriffen hat.
Noch abstruser wird es allerdings bei einem Listenkandidaten der Hamburger LINKEN für die bevorstehende Bürgerschaftswahl. Der Schüler Tom Radtke (18) hatte am 27. Januar getwittert: „Der Holocaust war nicht nur eines der größten Verbrechen im zweiten Weltkrieg. Die Nazis gehören auch zu den größten Klimasünder*innen, da ihr Vernichtungslager und ihre Panzer riesige Mengen CO2 produziert haben.“ – Wie bitte?!!!
Über diese Verquickung zweier Themen, die nun wirklich gar nichts miteinander zu tun haben, kann einem nur der Mund offen stehen bleiben!!! – Radtke muss im Geschichtsunterricht mächtig gepennt haben, und auch mit seiner linken (?) Analysefähigkeit zum Lieblingsthema Klima ist es nicht weit her! – Sein Hamburger Landesverband reagierte geschockt und erklärte das Ende der Zusammenarbeit mit Radtke. Er solle auf seine Kandidatur verzichten, hieß es. Außerdem droht ihm nun der Parteiausschluss… Da tröstet es wenig, dass er mit Listenplatz 20 wohl ohnehin nicht in die Bürgerschaft eingezogen wäre.
Beide Fälle zeigen ganz aktuell, dass auch jüngere Politiker reichlich Bockmist produzieren können – so wie es auch bei der Generation 40/50+ bisweilen der Fall ist. Bei den „Junioren“ ist Ungeübtheit keine Entschuldigung, denn sie sind wie die Älteren öffentliche Vertreter ihrer Parteien und zugleich Inhaber von oder Kandidaten für Parlamentsmandate.
Wer zu viel und zu oft die Verjüngung von Politik fordert, sollte sich zweimal überlegen, ob das wirklich ein positiver Wert an sich ist… Auch das häufig gehörte Argument „Es geht ja schließlich um ihre Zukunft“ zieht nicht. – Haben denn 50- oder 70-Jährige keine Zukunft – oder ist es womöglich anrüchig, dass sie Erfahrungen mit in die Politik einbringen, die Teens und Twens noch nicht haben (können)…?
Dass Jugend kein automatisches politisches Erfolgsrezept für eine bessere Zukunft ist, haben auch früher schon einige bisweilen recht ungestüme Jung-PolitikerInnen vorgeführt. Einige von ihnen sitzen heute übrigens in Ministerämtern, Parlamenten und ähnlich bedeutenden Positionen. Und das ist dann oft „so doll nich’…“!