„Pest und Cholera?“

Oder: Wer regiert demnächst die BRD?

Der Artikel „Im Wartestand“ von Georg Fülberth in der gestrigen „jungen Welt“ nimmt die Machtverhältnisse in der derzeitigen politischen Landschaft auf Bundesebene in den Blick. – Sein Tenor: Wenn sich nicht viel an den Wahlprozenten ändern sollte, wird es auf eine „Jamaika“-Koalition (CDU/CSU + Grüne, mit oder ohne FDP – die Inhalte wären fast dieselben!) hinauslaufen. – Nun, die „Grünen“ laufen sich ja dafür bereits warm. Soziale Gerechtigkeit spielt dabei keine Hauptrolle – und eine EU-Armee oder kräftiges Russland-Bashing ist für die Ex-Friedenspartei bereits gebongt.

Wie wenig „grün“ eine solche Konstellation sein kann, lässt sich in Schleswig-Holstein studieren: Da wird ein Abschiebeknast beschlossen, die fernstraßenfixierte Verkehrspolitik bleibt, keine Wende in der Wohnungspolitik – und als selbst gemachter „Höhepunkt“ fahren die Grünen bei der Lagerung von schwach strahlendem AKW-Abfall eine konzernfreundliche Entlastungspolitik – gegen den Willen von dort lebenden Menschen. – Habeck hat’s möglich gemacht, und bis heute ist keine Umkehr in Sicht. Aus bürgerlicher Sicht läuft also „alles gut“…

Was aber wäre mit der Option Grün-Rot-Rot (GR2), am wahrscheinlichsten unter grüner KanzlerInnenschaft? – Sie dürfte für die Grünen weniger attraktiv sein als „Jamaika“, denn sie könnten von „links“ mit sozial- und friedenspolitischen Themen konfrontiert werden, die ihnen das Leben schwer machen könnten… Für die zurzeit starken Grünen sicherlich keine Herzensangelegenheit, und rein rechnerisch besteht diese Option zurzeit auch gar nicht… Schließlich ist auch die heruntergewirtschaftete SPD weiterhin kein stabilisierender Faktor. Auch G. Fülberth gibt dieser Konstellation nur wenige Chancen.

Eine GR2-Koalition könnte aber vor allem für DIE LINKE gefährlich werden, egal wie „links“ sie dort anträte. Als Juniorpartnerin hätte sie wohl über einen „Versuch“ hinaus keine Chance auf eine dauerhafte Machtoption. Schmerzhafte Kompromisse und falsche Positionierungen haben die Linkspartei bereits auf Länderebene mehrmals (und zu Recht!) geschwächt – z.B. beim Berliner Wohnungsausverkauf Anfang der 2000er Jahre (ein Fehltritt, dessen Reparatur die derzeitige rot-rot-grüne Stadtregierung nun nicht nur finanziell teuer zu stehen kommt!) oder beim Brandenburger Polizeigesetz, um nur wenige „Klingensprünge“ zu nennen, Dass die Berliner Linkspartei nun auch noch eine drohende Privatisierung der S-Bahn mitträgt, könnte den „Roten“ wiederum eine Rote Karte bescheren.

Nein, „Koalitionskummer lohnt sich nicht“ für DIE LINKE – und auf Bundesebene käme bei GR2  ihre sozial- und friedenspolitische Kompetenz wohl schnell unter die Räder. Eine notwendige sozialpolitische Wende wird mit den Grünen nicht zu machen sein – und allzu viele faule Kompromisse auf diesem Gebiet dürfte die Linkspartei nicht aushalten können. Ihre größten Erfolge hat DIE LINKE übrigens zumeist aus einer starken, eindeutigen Oppositionsrolle heraus erzielt – für die Bundesebene galt dies bis 2017 allemal.

Bliebe noch die „tiefschwarze Mehrheit“ aus CDU/CSU und der rechtsextremen AfD. Sie könnte rein rechnerisch möglich werden, auch wenn sie derzeit eher unwahrscheinlich erscheint. Doch die Versuche einiger CDU-Funktionäre (insbesondere im Osten, wo die AfD überdimensional stark geworden ist), diese Option medial immer wieder ins Spiel zu bringen, lassen ernsthafte Befürchtungen aufkommen, wie anfällig sich das bürgerliche Lager für Rechts-Koalitionen erweisen könnte. Da scheinen auch historische Erfahrungen, wie 1933 beim Nazi-Ermächtigungsgesetz (für das Konservative und Liberale die Hände gehoben hatten), nicht mehr als Signal für eine notwendige Abgrenzung gegen Rechts zu gelten.

So bleibt eine Jamaika-Zukunft wohl das weitaus kleinere Übel, auch wenn von dieser (wie bei der jetzigen GroKo) sozialpolitisch keine Weitwürfe zu erwarten sind, auch wenn es bei einer Militarisierung der Politik bliebe, auch wenn an der Profit-Dominanz der Konzerne und Banken nicht gekratzt würde (und damit die Voraussetzungen für Ungleichheit, Armut, Kriege und Flucht erhalten blieben). – Das sind keine guten Aussichten…!

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