Die Debatte über einen vermeintlichen „Linksruck“ der SPD führt auf Abwege – und genau das soll es wohl auch…

In der SPD lässt es sich getrost „links“ sein – und standhafte und respektable SPD-Linke gab es immer. Diese Gruppe von Mitgliedern sind keineswegs nur alte Dinosaurier aus vermeintlich besseren Zeiten, auch Junge und Jüngere haben sich in den vergangenen Jahren des Abstiegs der „alten Tante SPD“ ganz bewusst in der Partei engagiert. Eine Reihe dieser „Linken“ ließ sich auch beim gestern beendeten Parteitag an den Mikrofonen miterleben…
Bisweilen konnte beinahe Rührung aufkommen, wenn einige RednerInnen Forderungen für die zukünftige Linie erhoben, die „echt links“ klangen und bei denen der unbeugsame Sinn für Gerechtigkeit im Land, für einen glaubhaften Aufbruch und für Verbesserung dieser Welt nicht zu überhören erschien. – Ja, das tut dem Kampfgeist einer selbstverschuldet geschundenen Traditionspartei gut.
Doch das ist nur eine Fassette der Volkspartei SPD, denn nicht erst seit 20 Jahren wird ihr Kurs durch die einflussreiche Gruppe der zumeist neoliberalen Wirtschaftsorientierten bestimmt – und die sind noch lange nicht weg. Sie sitzen weiterhin in Parlamenten sowie in Landes- und Bundesvorständen, aber hier und da auch auf der kommunalen Ebene, und sie lassen sich wohl auch durch noch so wohlklingend linke Parteitagsbeschlüsse nicht „in die Wüste schicken“…
Der überwiegend bürgerlich-konservative Medien-Mainstream schreibt nun seit Wochen gebetsmühlenartig vom „Linksruck“ der SPD, einer „Gefahr für die GroKo“ und vom weiteren „Absturz“ der SPD. So wird Stimmung gemacht gegen eine mögliche Abkehr von neoliberalen Inhalten, wie sie die SPD bisher ohne viel Murren durchgezogen hat.
Denn: Die medial heraufbeschworene anti-neoliberale „Katastrophe“ ist auch auf diesem Parteitag ausgeblieben, denn wieder einmal fehlte den allermeisten Delegierten das Rückgrat, um „klare Kante“ zu schaffen. Die SPD ist eben die SPD, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen: Die GroKo bleibt, und man „spricht“ mit den Konservativen (statt knallhart zu verhandeln!). Hartz IV und Teile der Agenda 2010 sollen „überwunden“ werden, aber als wachsweiche Alternative kommt nur ein noch undefiniertes „Bürgergeld“, das weiterhin, wenn auch schwächere Sanktionen beinhalten soll. Eine klitzekleine Vermögenssteuer (die niemandem wirklich wehtut!) wurde ebenfalls beschlossen, aber ein wirklicher Wurf zur notwendigen Umverteilung blieb aus. – Die Liste wohlklingender, aber nicht selten auch halbherziger Beschlüsse ließe sich fortsetzen.
12 Euro Mindestlohn ist einer der guten Beschlüsse, aber er kommt spät – sogar Wochen später, nachdem auch die Grünen einen solchen Parteitagsbeschluss getroffen haben. Von den LINKEN wird er schon seit fast drei Jahren gefordert, nachdem die Bundesregierung schon 2017 mitgeteilt hatte, dass 12,63 Euro notwendig sind, um Altersarmut zu verhindern. – In der Groko wird die SPD damit jedoch auf Granit beißen, wie auch mit anderen Beschlüssen und Beschlüsschen… Der Mindestlohn darf nun nicht zur rot-grün-roten Floskel verkommen!
Auch wenn die SPD aus ihrem Parteitag inhaltlich eher etwas „wackelig“ herausgekommen ist (sie ist nun mal keine eindeutig linke Partei!), sollte in der Partei DIE LINKE nicht unterschätzt werden, dass das mediale Signal „Linksruck“ bei einigen ihrer SympathisantInnen, die sich dereinst aus guten Gründen von der SPD abgewandt hatten, Wirkung zeigen könnte. Wer nicht so genau hinschaut, bei dem/der könnte der vermeintlich neue Kurs eine neue Sehnsucht nach dem Schoß der „alten Tante“ auslösen…
Die SPD ist für ihre neu geschaffenen Beschlüsse und auch die eine oder andere Illusion selbst verantwortlich. DIE LINKE jedoch sollte nun rasch, umfänglich und verständlich klarstellen, wie Sozial- und Wohnungspolitik zum Wohle vieler Menschen funktionieren können. Das sollte ihr nicht allzu schwerfallen, denn sie hat bereits vor der letzten Bundestagswahl (und gelegentlich auch danach) Finanzierungskonzepte dafür erarbeitet. Allerdings hat sie ihre Stärken auf ihren Kerngebieten bisher nicht konsequent gezeigt oder sie verkümmerten in bruchstückhaften Momentaufnahmen oder in Floskeln.
Es könnte die Stärke der LINKEN sein, nicht nur zentrale Forderungen zu formulieren (wie es SPD und Grüne derzeit tun), sondern auch darzustellen, wie eine neue Politik solide finanziert und sozial umverteilt werden kann: Mindestrente, Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV, Kindergrundsicherung (um nur einige Beispiele zu nennen) sind machbar durch eine wirksame Vermögenssteuer (5% ab der 1. Million), durch höhere Steuersätze für monatliche Einkommen von über 7.800 Euro usw. usw… 250.000 neue und bezahlbare Wohnungen mit den zugehörigen Bundeszuschüssen (ca. 5 Milliarden Euro pro Jahr) sind durch eine soziale Umverteilung ebenfalls mach- und finanzierbar.
All dies muss nun jedoch endlich hörbar und verständlich aus dem Karl-Liebknecht-Haus, dem Sitz der Bundespartei DIE LINKE, in die Medien und „unter die Leute“ gebracht werden – notfalls immer wieder. Denn: Viele gute Themensetzungen, wie die Wohnungsinitiative oder das Steuerprogramm der LINKEN, sind (außer in einigen Bundestagsreden) in der jüngsten Vergangenheit in der Öffentlichkeit viel zu schnell wieder verhallt.
Jetzt lieber von linken Koalitionsmehrheiten zu träumen und bei der inhaltlichen Außendarstellung schwammig zu bleiben, könnte sich schnell als erneuter Bumerang erweisen und würde auch weiterhin keine neuen WählerInnen-Bindungen erzeugen – und schon gar nicht viele verloren gegangene WählerInnen zurückholen. – Während also derzeit allerorten vom „Linksruck“ der SPD schwadroniert wird (der eigentlich gar keiner ist!), sollte DIE LINKE deutlich zeigen, wie „links“ wirklich geht – und wie eine soziale und solidarische Politik funktionieren kann.