Wegen des politisch weiterhin ungelösten Wohnungs- und Mietenproblems trägt wachsender Individualverkehr zu schlechteren Klimawerten bei. Bisherige Verkehrs- und Klimastrategien könnten dadurch überholungsbedürftig werden

Heute schreibt das Flensburger Tageblatt über einen markanten Anstieg des Berufspendlerverkehrs. Die Gewerkschaft IG Bau Schleswig-Holstein Nord kritisiert die fehlenden Investitionen in den Wohnungsbau, mit auch in der Zukunft negativen Folgen: „Die öffentliche Hand muss viel mehr als bisher investieren, um bezahlbaren Wohnraum in den Metropolen und Ballungsräumen zu schaffen. Es fehlen vor allem Wohnungen im sozialen und im bezahlbaren Segment.“, so zitiert die Zeitung den Bezirksvorsitzenden Arno Carstensen. Seit 2000 ist die Zahl der Flensburger Pendler um ein Fünftel auf 23.000 angestiegen.
Tja… Auch dieser Artikel mit der klaren Stellungnahme der IG Bau ist ein weiterer Beleg für die gänzlich verfehlte Wohnungspolitik der übergroßen Ratsmehrheit von CDU, SPD, SSW, FDP und Grünen, die eine deutliche Wende hin zum sozialen Wohnungsbau immer noch verweigert – inklusive der Oberbürgermeisterin, die von Wohnungsnot, Mietendeckel und städtischer Wohnungsbaugesellschaft nichts hören will und außer mit ein paar Gesprächsrunden auch nichts tut.
Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass in Flensburg 5.000 (in Worten fünftausend!) bezahlbare Wohnungen fehlen. Da ist es kein Wunder, wenn es immer mehr Menschen ins (teils weit entfernte) Umland zieht, um dort zu erträglicheren Preisen wohnen zu können. Für die Klimabilanz von Stadt und Region, aber auch für alle Klima- und Mobilitätspakte Flensburgs, bringt dies erhebliche Probleme mit sich – wen wundert’s…
Angesichts einer so starken Zunahme des Pendlerverkehrs muss wohl klima- und verkehrspolitisch auch nochmal fast bei Null angefangen werden. Denn nun geht es nicht mehr nur um den städtischen ÖPNV und mehr Radwege und weniger Parkplätze. Vielmehr geht es für viele Jahre um Verkehrsverbünde mit mindestens 50 km entfernt liegenden Orten (inkl. Schleswig und Husum), es geht um sinnvolle Park- und um Park-and-Ride-Lösungen und um vieles mehr…
Vieles im sozialen und infrastrukturellen Bereich steht und fällt aber mit einer radikalen Wende hin zu einer sozialen Wohnungspolitik – mit städtischer Wohnungsbaugesellschaft, Milieuschutzordnung für einige Stadtgebiete, einer Zweckentfremdungsabgabe für leerstehende Wohnungen, einer rigiden Kontrolle mit Ferienwohnungen und so weiter… Die Vorschläge sind nicht neu, aber die Ratsmehrheit scheut das Umdenken wie der Teufel das Weihwasser – und bedient weiterhin viel zu oft (und viel zu reichlich!) private Investoren.
Und um es mal konkret zu machen: Die Bebauung des Ostufers mit hunderten neuen Wohnungen, die Randgebiete um Universität und Hochschule sowie um das geplante Krankenhaus am Peelwatt (aber auch für die alten innerstädtischen Krankenhausstandorte) bieten sich geradezu dafür an öffentlich geförderten (sozialen!) und weiteren bezahlbaren (unter 7 Euro!) Wohnraum schnell zu planen und zu schaffen. – Aber da ja angeblich das Geld nicht da sein soll: Eine hohe Zahl von städtischen Wohnungen erhöht das Vermögen der Stadt auf mittlere und längere Sicht sogar deutlich – aber auch darüber wollen die vielen Wohnungsverweigerer, die sich schon bei ein paar Dutzend Sozialwohnungen in Tarup ihren Heiligenschein polieren, lieber nicht reden…
Erst vor wenigen Tagen erschien hier mein Kommentar mit dem Titel „Flensburg verstärkt im Fokus für immobilienhaie“, der sich ebenfalls mit der verfehlten Flensburger Wohnungspolitik beschäftigt.