Oder: Wie die „Treuhand“ in den 1990er Jahren große Teile der DDR-Betriebe handlungsunfähig machte, um Konkurrenz für die westlichen Konkurrenten auszuschalten

Ein Kommentar von Herman U. Soldan
„Abwickeln, niedermachen, ausräumen“ – Dieser lesenswerte Artikel in der „jungen Welt“ macht nochmals sehr deutlich, dass die „Vereinigung“ von BRD (und Westberlin) mit der DDR im Wirtschaftsbereich gar keine einvernehmliche Vereinigung war. Teils leistungsfähige Betriebe wurden durch eigenmächtige Entscheidungen und ohne demokratische Kontrolle unter Wert verscherbelt, schlecht gerechnet, zerstückelt und dem Würgegriff des ach so „freien Marktes“ ausgesetzt. Für Millionen Menschen war dies eine ökonomische und soziale Katastrophe – und viele Regionen waren innerhalb kurzer Zeit ohne ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlage (größtenteils bis heute!).
Wirtschaftsstrukturen sind von politischen Veränderungen nicht zu trennen, und sie stellen die Sicherung des persönlichen und kommunalen Lebens dar. Deshalb war die sog. „Wiedervereinigung“ eben kein Glücksfall der Geschichte. Um die westlichen Betriebe zu retten, wurden vorsätzlich Lebensentwürfe vieler Menschen im Beitrittsgebiet zunichte gemacht und wirtschaftliche Strukturen zerstört.
Viel gab und gibt es also anlässlich diverser (erneut anstehender) Vereinigungsjubiläen nicht zu feiern – und die Folgen der Treuhand-Verwüstungen sind politisch, sozial und wirtschaftlich bis heute sehr deutlich zu spüren. All dies ist nicht unbekannt, passt aber nicht in das schöngefärbte Narrativ der Nach-Wende-BRD.
Ein von der Bundestagsfraktion DIE LINKE angestrebter Treuhand-Untersuchungsausschuss kann genau wegen dieses dominanten West-Narrativs daher auch nach hinten losgehen, hätte aber vielleicht den Vorteil, eine öffentliche Debatte um falsche Vereinigungsmythen in Gang zu setzen.
Im „junge Welt“-Artikel, der das Treiben der westdeutschen Treuhand auch an einigen konkreten Beispielen darstellt, heißt es abschließend: „Für eine wie auch immer geartete Einheit wurden sie (die Maßnahmen der Treuhand – Anm. HUS) nicht durchgeführt. Sondern stets gegen die Wirtschaft im Anschlussgebiet, ohne Rücksicht auf die dortigen Menschen und auf das, was die in 40 Jahren geschaffen hatten. Für die Folgekosten dieser Maßnahmen müssen alle aufkommen. Den Preis für die ‚Heimholung’ der DDR und ihrer Wirtschaft zahlen alle.“ – Dem ist nicht viel hinzuzufügen…