Brasilien: „Kein Grund zum Feiern“

Die sozialistische Partei Brasiliens bleibt der Amtseinführung des neuen, rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro fern

Von Herman U. Soldan (DIE LINKE Flensburg)
(Erstveröffentlichung am 01.01.2019)

Die Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) wird auf der Straße und im Parlament die Demokratie und die Rechte des brasilianischen Volkes verteidigen

Der 1. Januar ist traditionell die Amtseinführung des wenige Monate vorher gewählten Staatsoberhauptes des fünftgrößten Landes der Erde. Sie findet in der erst in den 1960er Jahren neu erbauten Hauptstadt Brasília statt und wird von den wichtigsten Medien direkt übertragen. – Am Neujahrstag des Jahres 2003 war ich in der Metropole São Paulo, und im City-Bezirk Liberdade wie auch im Außenbezirk Butantã verfolgten viele Menschen die erste Amtseinführung Luiz Inácio Lula da Silvas, kurz „Lula“ (Tintenfisch) genannt, des Mannes, der als erster Kandidat der Arbeiterpartei ins Amt gewählt worden war und mit dem sich viele Hoffnungen auf eine soziale und gerechte Zukunft verbanden. Es herrschte erwartungsvolle Freude und Begeisterung – in den Wohnzimmern wie auch auf den Plätzen der Stadt. – Bis zum politischen Putsch gegen Lula-Nachfolgerin Dilma Rousseff im Frühjahr 2016 gelang es einige soziale Reformen und eine progressiv-liberale Stimmung auch gegen die traditionell rechts-konservative Wirtschaft durchzusetzen.

Nach dem Putsch setzte schnell ein Roll-Back der Verhältnisse ein. Armut und Kriminalität nahmen wieder zu, und in dieser aufgeheizten Stimmung wurde der reaktionäre Jair Bolsonaro als Hoffnungsträger besonders der urbanen Mittelschicht des Südens Ende 2018 zum Präsidenten gewählt (wir berichteten). Seither herrscht eine gedrückte Stimmung, aber auch der Wille zum Widerstand gegen die aggressiven und antidemokratischen „Bekenntnisse“ Bolsonaros. – Besonders deutlich positioniert sich die PSOL gegen die reaktionäre Machtübernahme. Sie entschied sich deshalb für das demonstrative Fernbleiben von der Prozedur der Amtseinführung im brasilianischen Parlament und gab folgende Pressemitteilung heraus:

Die Regierung, die am 1. Januar ins Amt kommt, basiert auf Hass, Vorurteilen, Intoleranz und Gewalt. Bolsonaro und seine Minister missachten die Menschenrechte, die nationale Souveränität, die Demokratie und die sozialen Rechte. Sie verteidigen die Kriminalisierung sozialer Bewegungen und die Einschränkung der freien politischen Organisation. Sie verherrlichen den autoritären und kriminellen Charakter der Militärdiktatur. Sie verteidigen die Verschiebung des nationalen Reichtums und des Vermögens an die USA.

Die Missachtung der Rechte von Minderheiten, die Angriffe auf die Pressefreiheit und die Bildungsfreiheit sind in jeder Hinsicht Zeugen von Bolsonaros Roll-Back. Es gibt also keinen Grund zum Feiern. (…) Sein Sieg beruht nicht nur auf Angst und dem Missbrauch des brasilianischen politischen Systems, sondern auch auf Betrug und Lügen gegen die politischen Gegner.

Aus diesen Gründen wird die PSOL nicht an der Einweihung von Jair Bolsonaro teilnehmen. Wir werden vom ersten Tag der Regierung an auf der Straße sein und die Demokratie, die Rechte des brasilianischen Volkes und die nationale Souveränität gegen diejenigen verteidigen, die Brasilien in das Jahr 1964 zurückversetzen wollen, sowie im Parlament, um das brasilianische Volk zu verteidigen.

Brasiliens fortschrittliche Kräfte sowie die von der reaktionären Politik besonders betroffenen ärmeren Bevölkerungsschichten benötigen unsere uneingeschränkte Solidarität. Brasilien muss wieder ein weltoffenes, liberales Land werden, in dem eine Sozial- und Wirtschaftspolitik allen Menschen ein Leben in sozialer Sicherheit und Demokratie garantiert.

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